Insolvenz des TK-Distributors Niggemann-Group

Niggemann: »Siemens stellt sich nicht seiner Verantwortung«

10. Juni 2010, 10:44 Uhr | Folker Lück

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Über die wahren Gründe kann ich nur Vermutungen anstellen


Niggemann:
Die Zurückstufung traf uns im vollen Lauf. Die langjährige, erfolgreiche Partnerschaft spielte offensichtlich keine Rolle mehr, und auch unsere Ansprechpartner waren nicht mehr dieselben. Die Entscheidung wurde auf der Basis einer Entscheidungsmatrix getroffen, die den menschlichen Aspekt unberücksichtigt ließ. Es ging vielmehr um Kriterien wie Internationalität, Innovationskraft, Ausbildung, Umsatz und Mehrwertdienstleistungen für die Händler, die mit Punkten bewertet wurden. Im Prinzip haben wir alle Kriterien erfüllt, selbst die Internationalität durch eine eigene Gesellschaft, der SalesTech. Man legte uns diese Entscheidungsmatrix vor, aber wir hatten keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Kriterien richtig bewertet worden sind, geschweige denn eine Änderung herbeizuführen. Ich weiß, dass wir gute Leistungen erbracht haben, deshalb war das damals für mich ein Schlag ins Gesicht.

Die drei Distributoren mit der höchsten Punktzahl wurden zu Hauptistributoren ernannt und alle anderen zu Sub-Distributoren. Man hat also eine Partnerschaft aufgrund einer Excel-Tabelle bewertet. Wir haben 16 Jahre die Siemens-Fahne hochgehalten und haben das Geschäft in Deutschland massiv mit aufgebaut – sonst würde ja jetzt auch nicht der Name Niggemann durch die ganze Presse getragen. Daran kann man sehen, welche Tragweite das hat.


CRN:
Das hört sich an als gäbe es noch ganz andere Gründe …


Niggemann:
Über die wahren Gründe kann ich nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise spielen persönliche Animositäten eine Rolle. Wir sind manchmal auch ein unbequemer Partner, denn wir schlucken nicht alles, was Siemens uns vorgibt. Die Matrix-Entscheider sind heute nicht mehr an den Stellen, eine der Personen, ein ehemaliger Mitarbeiter aus unserem Hause, ist nicht mehr bei Siemens. Ein anderer ist in einem anderen Bereich tätig.


CRN:
Warum haben Sie keine rechtlichen Schritte eingeleitet?

Niggemann: Die unternehmerischen Entscheidungen von Siemens kann ich kritisieren, aber rechtlich kann ich dagegen nicht vorgehen.

CRN: Wie stehen die Siemens-Manager dazu?


Niggemann:
Die heute entscheidenden Personen verhalten sich ausweichend, unkonkret und unverbindlich. Vor allem zuletzt habe ich klare Aussagen von Siemens vermisst – Ende vergangenen Jahres habe ich einen Verantwortlichen angerufen, die Situation geschildert und gefragt, welche Möglichkeiten noch bestehen. Trotz Zusage habe ich hierauf jedoch keinerlei Reaktion erhalten. Es geht immerhin um mehr als 60 Arbeitsplätze. Ich finde es empörend, dass Siemens als Großkonzern sich seiner unternehmerischen, sozialen und vor allem moralischen Verantwortung nicht stellt. Früher war das anders, sonst wäre ich diese Partnerschaft nie eingegangen, denn für mich ist neben dem Geschäft der Faktor Mensch immer noch sehr wichtig.


CRN:
Gibt es Chancen, dass die Niggemann Group nach dem Insolvenz-Verfahren weiter geführt wird?


Niggemann:
Das deutsche Insolvenzrecht bietet hervorragende Möglichkeiten für eine Sanierung. Grundsätzlich denke ich, dass es eine Fortsetzung geben wird. Die Händler können weiterhin bei uns bestellen, und das tun sie auch. Es gibt sehr viele positive Resonanzen, Händler unterstützen uns gerade in so einer schwierigen Situation weiter, indem sie die Geschäftsbeziehungen mit uns aufrechterhalten. Ich habe viele Anrufe von Händlern erhalten, die gesagt haben, wie leid ihnen diese Entwicklung tut und dass sie uns wünschen, dass es weitergeht – das tut gut!

CRN: Welche Pläne haben Sie nun?


Niggemann:
Ich bekomme auch persönlich sehr viel Zuspruch – und Angebote. Momentan bin ich noch in der Findungsphase, wie meine Zukunft aussehen kann. Aber viele Menschen sind an meinem Know-how und meinen jahrelangen Erfahrungen interessiert.

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