„In vielen Fällen ist nicht der Netzanbieter schuld“
funkschau: Herr Kopp, wie sieht das Quality-of-Service-Konzept von O2 aus?
Kopp: Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass Mechanismen für Quality-of-Service nur dann nötig sind, wenn es Engpässe im Netz aufgrund nicht planbarer Überlastsituationen gibt. Grundsätzlich bemühen wir uns, unsere Netzkapazität dem Nutzungsverhalten unserer Kunden anzupassen.
Darüber hinaus darf man den Begriff Quality-of-Service nicht nur unter technischen Aspekten sehen. Der Kunde muss ein Produkt in jeder Hinsicht ansprechend finden. Unserer Ansicht nach schließt das die Usability mit ein. Die Frage: „Macht es Spaß, mit den Produkten, für die ich bezahle, umzugehen?“ spielt eine große Rolle. Stichwort ist hier eine exzellente „Customer-Experience“. O2 bietet daher einfache und clevere Produkte, die leicht zu bedienen sind.
funkschau: Was machen Sie über die Usability hinaus, um Ihren Kunden ein reibungsloses Kommunikationserlebnis zu bieten?
Kopp: Damit unsere Kunden die Leistungen, für die sie bezahlt haben, immer störungsfrei erhalten, werden die Datenpakete der zu übertragenden Dienste im Netz unterschiedlich priorisiert. Dieses Netzwerk-Management gehört seit Jahrzehnten bei allen Internet-Anbietern zum Standard. Dadurch stellen wir sicher, dass sich die Datenpakete im Falle einer Netzüberlastung nicht gegenseitig blockieren.
Sprachaussetzer in einem Telefonat sind für die Beteiligten unmittelbar spürbar. Das ist sehr störend, weshalb „Telefonie-Pakete“ ganz oben auf unserer Liste stehen. An zweiter Stelle kommt der Fernsehdienst. Wackler und Ruckler, die man am PC gewohnt ist, werden beim Fernsehbild kaum toleriert. Allerdings kann man etwas längere Netzlaufzeiten der „Fernseh-Pakete“ durch technische Maßnahmen im Modem kompensieren. Die niedrigste Priorität bekommen die Internet-Pakete. Im Vergleich zu den anderen Diensten haben wir es hier mit der größten Toleranz im Hinblick auf Störungen und Wartezeiten zu tun.
funkschau: Wie gehen Sie mit Kunden um, die sich über Störungen bei ihren Services beklagen?
Kopp: In vielen Fällen ist nicht der Netzanbieter schuld, wenn ein Service nicht zur Zufriedenheit des Kunden klappt. Häufig sind es die überlasteten Server der Anbieter von Internetdiensten wie Youtube oder Facebook, die unter Volllast laufen. Außerdem überprüfen wir immer vorher mit einem Bandbreiten-Check, ob wir einen Dienst in unserem Netz reibungslos zur Verfügung stellen können. Bevor ein Dienst nicht sauber funktioniert, bieten wir ihn lieber nicht an. Sollten wir es nicht schaffen, einen Dienst über eine Leitung zur Verfügung zu stellen, haben Kunden die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten.
funkschau: Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, wenn es um Quality-of-Service geht?
Kopp: Der eigentliche Netzengpass ist der Zugang zum Kunden, die so genannte letzte Meile. Das Festnetz der Telekom, das dafür meistens genutzt wird, ist begrenzt und technisch an seine Grenzen gestoßen. Um diesen Engpass langfristig in den Griff zu bekommen, sind nicht immer ausgefeiltere QoS-Tricks anzuwenden, sondern die Netze auszubauen. Die alten Kupfertelefonleitungen müssen dringend durch neue Glasfasernetze ersetzt werden, über die man fast unbegrenzte Datenmengen übertragen kann. Dann brauchen wir auch weniger Quality-of-Service-Mechanismen.
Die große Frage, die sich hier stellt, lautet: Wer soll die Glasfasern zum Kunden bringen und wie funktioniert das? Das Ganze ist unglaublich teuer. Bei einer Stadt wie München sprechen wir beispielsweise über einen dreistelligen Millionenbetrag. Man braucht sehr lange, um seine getätigten Investitionen wieder herein zu bekommen. Eine derzeitige Markttendenz ist daher Kooperation, beispielsweise zwischen Telekommunikationsunternehmen und der Versorgungswirtschaft. Die Öffnung dieser Netze für alle Marktteilnehmer könnte ein weiterer Ausweg sein.
funkschau: Gerade sind die letzten IP-Adressen vergeben worden und IPv6 steht im Raum. Spielt das für Quality-of-Service eine Rolle?
Kopp: Selbstverständlich bereiten auch wir uns auf die Nutzung des IPv6-Protokolls vor. Das Netz ist bereits in weiten Teilen „IPv6-ready“ – erste Kundentests laufen. IPv6 hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität. Es verwendet dieselben Quality-of-Service-Mechanismen wie das bisherige Internetprotokoll.