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Vom Skalpell zur KI

5. August 2019, 10:24 Uhr | Natalie Lauer
© Vasin Leenanurusks / 123rf

Durch die Geschichte hindurch war der Mensch nie so nah auf Tuchfühlung mit Technik wie in der Medizin - bis heute hat sich daran nichts geändert. Kein Wunder, dass er da der einen oder anderen Innovation skeptisch gegenüber steht. Wie sieht das mit KI aus?

Medizintechnologie heilt Menschen und hilft Leben retten. Bereits in der Steinzeit müssen die Menschen über chirurgisches Instrumentarium verfügt haben, wie ein Kuhschädel aus der jungsteinzeitlichen Siedlung Champ-Durand darlegt, der ein im Zuge eines medizinischen Eingriffs von Menschenhand gebohrtes Loch aufweist.

Seitdem hat die Technikgeschichte der Medizin einige spektakuläre Kapitel geschrieben. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist ebenso Teil davon, wenngleich diese Geschichte noch ganz am Anfang steht. Sicher ist allerdings schon jetzt, dass KI einen grundlegenden Wandel im Gesundheitswesen hervorrufen wird.

Doktor Maschine
KI eignet sich für zahlreiche medizinische Einsatzbereiche und stetig tun sich weitere Anwendungsmöglichkeiten auf. Bereits jetzt sind Maschinen bei der Diagnostik hilfreich und können beispielsweise MRT- und CT-Scans, Elektrokardiogramme oder Hautbilder interpretieren. Ebenso lässt sich die Effizienz analytischer Vorgänge in der Pharmazeutikaentwicklung steigern. KI kann Ärzten beim Entwurf von personalisierten Behandlungsplänen hilfreich sein, indem sie digital erfasste Daten ähnlicher Patienten und deren spezifische Therapien sowie Resultate miteinander abgleicht.  

Einen Eindruck davon, wie der Operationssaal der Zukunft aussieht, präsentiert das Innovationszentrum für Computer-assistierte Chirurgie (ICCAS). Dort operiert nicht etwa ein Roboter-Chirurg, vielmehr ist der Saal gespickt mit miteinander vernetzter intelligenter Technik. Sie kann bereits im Vorfeld die nächsten Schritte des OP-Teams vorhersehen und diese einleiten. So passt die dort verbaute KI zum Beispiel je nach Arbeitsstadium die Beleuchtung an und zeigt bei Bedarf Inhalte aus Patientenakten oder endoskopische Aufnahmen an.

Die Sorge, dass KI-basierte Systeme Ärzte langfristig abschaffen ist unberechtigt. Sie fällen zumindest nach heutigem Stand keine eigenen Entscheidungen und liefern dem medizinischen Personal wichtige Empfehlungen sowie Informationen. Die Verantwortung liegt letztlich immer beim Arzt und nicht bei der Maschine.

Inzwischen gibt es auch eine Reihe von KI-basierten Medizin-Apps, mithilfe derer sich beispielsweise Symptome checken lassen. Sebastian Kuhn und seine Kollegen berichten in einem Artikel für das Ärzteblatt darüber, dass nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte solche Apps gebrauchen. Sie dienen ihnen bisher als unterstützendes Werkzeug zur Anamnese oder bei der Erstellung von Differenzialdiagnosen. Daneben sind laut Autoren in geraumer Zeit auch Implikationen für laborchemische Analysen oder bildgebende Verfahren möglich.

Dem so häufig thematisierten Mangel an Pflegepersonal lässt sich gewiss durch den Einsatz von Pflegerobotern entgegenwirken. Da aktuell jedoch weder Kranken- noch Pflegeversicherungen die Kosten dieser Sorte von maschinellen Helfern übernehmen, sind Pflegeroboter bisher nur in sehr wenigen Einrichtungen anzutreffen. Sie dienen lediglich der Entlastung der Pflegekraft und arbeiten Hand in Hand mit ihren menschlichen Kollegen. Das wird vermutlich dauerhaft so bleiben. Schließlich ist es der emotionale Kontakt zwischen Patienten und Pfleger, der wichtig für die Genesung beziehungsweise das Wohlbefinden der Pflegebedürftigen ist.

Willkommen KI
Nirgendwo sonst ist der Mensch so nah auf Tuchfühlung mit Technik, wie in der Medizin.

Wahrscheinlich sind gerade deshalb durch die Geschichte hindurch technische Neuerungen auf medizinischem Gebiet zu Beginn ihrer Einführung häufig auf Skepsis und Kritik gestoßen. Einer der ersten Belege hierfür findet sich im babylonischen Gesetzestext Codex Hammurapi aus der Zeit um 1700 vor Christus. Dort heißt es, dass einem Arzt, der einen Patienten mithilfe eines Bronzemessers operiert hat, nur dann keine Bestrafung droht, sofern der Eingriff erfolgreich war und zur Heilung führte.

Was KI in der Medizin anbelangt, ist das offensichtlich nicht mehr der Fall. So ergab eine aktuelle Umfrage des Branchenverbandes Bitkom, dass vor allem jüngere Patienten gegenüber KI-basierten Systemen in der Gesundheitspflege sehr aufgeschlossen sind.

Ein Hinkebein stellt momentan noch die Zulassung dar. In Europa existiert bis dato noch kein Kriterienkatalog für ein Medizinprodukt, das sich nach seiner Zulassung weiterentwickelt. Eine Einordnung als Assistenzsystem würde am meisten Sinn machen. Somit wäre auch gesichert, dass die Verantwortung weiterhin beim Arzt bleibt.

 

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