Wie das alles in der Praxis aussehen kann, zeigt ein Modellort in Thüringen. Hier ist im Sommer 2018 ein zukunftsweisendes Digitalisierungsprojekt an den Start gegangen, um LoRaWAN und Smart-City-Anwendungen ausgiebig praktisch zu testen und weiterzuentwickeln. Unter dem Projektnamen „Smartinfeld“ hat es sich die Gemeinde Schimberg zum Ziel gesetzt, eine möglichst große Zahl an Anwendungsfällen in einem produktiven Betrieb zu realisieren. Große Gebiete, oft ohne flächendeckende WLAN-Versorgung, sehr unterschiedliche Anwendungsfälle, geringe Datenvolumen – das sind die Anforderungen, die sich in fast allen Smart-City-Projekten wiederfinden, so auch im thüringischen Martinfeld. Unter der Projektleitung der Alpha-Omega Technology, die auch die Infrastruktur stellt, streben die Projektpartner an, Martinfeld zu dem Ort mit der höchsten Dichte an IoT-Anwendungsfällen auf Basis eines LoRaWAN in Deutschland zu machen.
Leuchtendes Beispiel
Hier leben etwa 600 Einwohner und es gibt 98 Straßenlaternen, die sich auf etwa 3,5 Straßenkilometer verteilen. Die Straßenbeleuchtung im Ort war in der Vergangenheit immer wieder eine Quelle von Ärger. Eine defekte Leuchte wurde erst dann bemerkt und repariert, wenn ein Bürger dies zufällig sah und die Gemeindeverwaltung informierte. Und die Beleuchtung der Straßen war teuer: Obwohl nachts 90 Prozent der Straßenlampen stundenweise ausgeschaltet wurden, beliefen sich die Stromkosten auf 6.600 Euro jährlich. Die Gemeinde Schimberg rüstete als ersten Schritt die Straßenbeleuchtung des Ortsteiles Martinfeld auf intelligente LED-Leuchten um. LoRaWAN-Sensoren erkennen nun defekte Leuchten und steuern die Schaltzeit jeder einzelnen Straßenlaterne. Andere Städte tauschen nach und nach einzelne Leuchten oder höchstens die Beleuchtung einzelner Straßen zeitgleich aus. Die Nutzung von LoRaWAN ist mit der vollständigen Umstellung und in dieser Größenordnung bislang deutschlandweit einmalig.Martinfeld stellt mit der Umrüstung auf intelligente LED-Beleuchtung die Weichen für zukünftige digitale Services. So sind smarte Wasserzähler für private Haushalte in der Erprobung und öffentliche Müllbehälter sollen schon bald mit Hilfe von Sensoren überwacht werden, um sie nach Bedarf leeren zu können. Die Projektpartner stellen den Einwohnern auf Basis des vorhandenen Netzwerkes schon heute Informationen zur Verfügung: Mehrere Umweltmessstationen erfassen bereits kontinuierlich Daten, um die Luft- und Wasserqualität zu erheben.
Best Practices mit Wegweiser-Charakter
Martinfeld ist ein Modellort für die smarte Stadt: Anwendungen werden hier ausprobiert, und auch wenn sie langfristig in Martinfeld nicht zum Einsatz kommen sollten, können sie in anderen Orten sinnvoll genutzt werden. Und so bleiben die Aktivitäten in Thüringen auch im Rest des Landes nicht unbemerkt. Mehrere Versorgungsunternehmen und Messdienstleister haben bereits Interesse an der Technologie und der Adaption einiger Projektbestandteile von „Smartinfeld“ gezeigt. Denn eine IoT-Lösung wie die in Martinfeld verspricht Kosteneinsparungen, mehr Sicherheit und mehr Komfort – und das nicht nur bei der Straßenbeleuchtung, sondern auch bei Verbrauchszählern für Gas, Wasser und Strom. Die IoT-Anwendungen schaffen darüber hinaus einen Kostenvorteil für die Gemeinden, denn diese können ihr Personal dank der Technologie effizient steuern und einsetzen.
Trotz der klar erkennbaren Vorteile ist in vielen Bereichen die Umsetzung der Anwendungsfälle noch durch die begrenzte Verfügbarkeit an LoRaWAN-Sensorik eingeschränkt – aber immer mehr Hersteller konventioneller Sensoren beschäftigen sich mit der Integration der LoRaWAN-Funktionalität in ihr Produktportfolio. Die bereits vorhandenen Anwendungen werden als Best Practices die Digitalisierung der Prozesse in diesem Bereich pushen.
Jan Bose ist Projektleiter „Smartinfeld“ und geschäftsführender Gesellschafter von Alpha-Omega Technology