Prahl: … aber immer mit dem Partner. Es gibt bei AWS keinen klassischen Channelkonflikt, denn alle Umsätze, die über einen Partner fließen, kommen gleichzeitig dem Directsales zugute, der Partner immer als Skalierungsmechanismus sieht. Wir werden immer die Strategie verfolgen, über Partner zu skalieren. Partner sind immer das wesentliche Instrument, um in der Fläche und durchaus auch bei großen Enterprise-Accounts ihre Wertschöpfung einzubringen. Unser Service Provider Programm sieht ausdrücklich vor, dass der Partner Lead im Kundenkontakt ist. Der Directsales hat keinerlei Nachteil, wenn Partner involviert sind. Eine Bipolarität gibt es bei AWS nicht.
CRN: Allein der Name Directsales deutet darauf hin, dass es eine Bipolarität im AWS-Vertrieb geben muss.
Prahl: Da muss ich jetzt sagen, dass ich Ihnen auf den Leim gegangen bin [lacht]. Ich habe den von Ihnen benutzen Begriff übernommen, es gibt aber eine solche Abteilung bei AWS nicht. Wir haben Account Manager, die im Sinne des Partners agieren. Bei großen Kunden können übrigens viele AWS-Partner mit unterschiedlichen Gewerken involviert sein.
CRN: AWS-Zertifizierungen sind alles andere als trivial. Eine Hürde für viele Partner?
Prahl: Der Schwierigkeitsgrad von AWS-Zertifizierungen spiegelt die Relevanz des Knowhows im Markt wider. Das sehen wir immer wieder an unseren Partnern: Diejenigen, die ein sehr tiefes Knowhow aufgebaut haben, sind bei Kunden auch am Relevantesten. So kommt es, dass bei BMW in der Entwicklung von Connected Car-Services ein relativ kleiner Partner wie die Comsyto, mittlerweile von Reply aufgekauft, als Integrationspartner zum Zug gekommen ist. Das ist symptomatisch: Knowhow treibt entsprechende Projekte bei Kunden.
Deshalb diversifizieren und kategorisieren wir unsere Account Organisation und unsere Partner in vertikale Branchen-Kompetenzen, also zum Beispiel Manufacturing, Media/Entertainment, SAP oder AI/IoT. Das sind vom Markt getriebene Themen. Partner, die sich hier zertifizieren lassen, müssen sich einem anspruchsvollen Audit unterziehen. Das hat sehr viel Zulauf gebracht.
CRN: Gerald Hofer, Geschäftsführer Operations bei DB Systel, sagt im Interview mit heise, dass 90 Prozent aller Services von Hyperscalern identisch sind und die restlichen zehn Prozent nutzt man nur zu einem sehr kleinen Teil. Wie kann sich AWS da noch von Azure/Microsoft, Google oder IBM Blue Cloud unterscheiden?
Prahl: Ich würde diese Zahl in Frage stellen. AWS legt den Fokus auf den Kunden und Partner. Unser zentrale Maßstab ist die Wertschöpfung, die wir für den Kunden erbringen. Alle neuen Services, die wir herausbringen – übrigens in einer nicht gematchten Geschwindigkeit durch andere Hyperscaler – ermöglicht uns, auf individuelle Kundenwünsche passgenau einzugehen. Wir sind Stand März 2019 bei 165 AWS-Services und launchen jedes Jahr knapp 2.000 neue Features. Diese Innovationsgeschwindigkeit schätzen unsere Kunden an AWS, die sie so bei anderen nicht finden werden.
CRN: Hersteller sind in der Entwicklung immer auch immer auf das Feedback der Partner angewiesen. Gibt es einen Beirat bei AWS?
Prahl: Wir haben eine sehr breite und bunte Community, die User Groups, auch in Deutschland. 95 Prozent neuer AWS-Features basieren auf Kundenfeedback, wie beispielsweise AWS Ground Station. Damit können Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf Satelliten zugreifen, ohne eine eigene, teure Kommunikationsinfrastruktur aufzubauen. Ground Station wird als Demand-Service bezogen und abgerechnet. Dieser auf Kundenwunsch entstandene Service ist für alle Unternehmen offen, die Daten weltweit über Satelliten verteilen wollen.