Eine echte Branchenspezialisierung ist für Systemhäuser dementsprechend mit sehr hohen Investments verbunden. Denn neben dem technischen Fachwissen braucht ein Dienstleister auch den richtigen »Stallgeruch«, um sich in vertikalen Märkten durchsetzen zu können: Er muss sich in Branchenverbänden engagieren, gezieltes Branchen-Marketing betreiben und nicht zuletzt die oftmals ganz eigene Sprache der Branche sprechen. »Wenn man sich als Unternehmen eine vertikale Ausrichtung geben möchte, dann kommt man nicht umhin, sich mit dem Industriebereich, dem Geschäft und den Besonderheiten der Branche auseinanderzusetzen. Das ist sicherlich eine Herausforderung denn der Wissensaufbau kostet Zeit. Aber wenn man sich auf eine vertikale Branche fokussieren möchte, kommt man nicht umhin, dies zu tun«, betont Reiner Louis, Vertriebsvorstand bei Computacenter.
Angesichts der hohen Anforderungen gibt es bislang relativ wenige Systemhäuser, die sich den einen oder anderen vertikalen Markt nicht nur als zusätzliches Standbein aufbauen, sondern sich konsequent als Branchendienstleister positionieren. »Systemhäuser erweitern zwar ihr Portfolio über Infrastruktur hinaus, dabei handelt es sich aber eher um Spezialthemen wie Videoüberwachung oder Dokumentenmanagement. Eine klassische Aufstellung nach Branchen sehen wir noch kaum«, hat etwa Olaf Kaiser, Geschäftsführer der Systemhauskooperation iTeam festgestellt. Die meisten Systemhäuser hätten eher eine breite Kundenklientel und würden branchenübergreifend arbeiten.
Obwohl bislang wenige Dienstleister in der Praxis auf eine vertikale Aufstellung setzen, wächst das Bewusstsein für die Wichtigkeit eines Branchenvertriebs. »Teile der comTeam angeschlossenen Systemhäuser beschäftigen sich bereits heute mit dieser Thematik – Tendenz steigend«, sagt Sven Glatter, Geschäftsführer des Systemhauskooperation comTeam.
Auch der Systemhausriese Cancom, der hersteller- und branchenunabhängig das komplette IT-Spektrum abdeckt, weiß um die Bedeutung. »Aus unserer Sicht wird es aber immer wichtiger die Business-Themen unserer Kunden zu verstehen und entsprechend individuelle Lösungen zu bieten. Dazu gehört ein Verständnis für die Märkte unserer Kunden und deren Marktbearbeitungsmethoden«, betont Cancom-Chef Klaus Weinmann.
»Eine durchziehende vertikale Ausrichtung wäre sicherlich auch für Computacenter eine optimale Struktur. Leider ist sie derzeit nicht umsetzbar«, sagt auch Reiner Louis, Vertriebsvorstand bei Computacenter. Da die Kunden des Dienstleisters aus dem gesamten Bundesgebiet kommen und verschiedenen Branchen angehören, setzt Computacenter aktuell auf zwei ergänzende Ansätze. Zum einen ist das Systemhaus nach Regionen aufgestellt. »Bei diesen über die Regionsstruktur betreuten Kunden setzen wir darauf, dass unsere Vertriebs- und Servicekollegen die Unternehmen sehr gut kennen und ein tiefes Verständnis von deren Geschäft und die Branche haben«, erklärt Louis. Zum anderen hat der Dienstleister bereits Kunden aus bestimmten Branchen zusammengefasst, etwa Unternehmen aus dem Automotive-Bereich oder öffentliche Auftraggeber. »In dem Bereich gibt es besondere Anforderungen bei den Ausschreibungsverfahren, aber auch in der Erbringung. Hier ist es besonders wichtig, die Erfahrungen in einer Geschäftseinheit zu bündeln«, beschreibt Reiner Louis, den Ansatz.