CRN-Interview Gaming, Dennis Schellhase

Frustvermeidung statt Herausforderung

7. August 2014, 14:28 Uhr | Lars Bube
Der mehrfache FIFA-eSports-Weltmeister Dennis Schellhase befürchtet einen Qualitätsverlust bei Spielen durch Trends wie Free-to-Play. (Foto: Synology)

Im Interview mit CRN verrät der mehrfache eSports-FIFA-Weltmeister Dennis Schellhase, heute Head of Produkt Management bei Synology, wie er die aktuellen Trends der Gaming-Branche bewertet.

CRN: Herr Schellhase: Sie selbst waren bereits mehrfach virtueller Fußball-Weltmeister – was für ein Gefühl war es für Sie, am Ende ganz oben auf dem Treppchen zu stehen?
Schellhase: Dieses Gefühl ist sehr schwierig zu beschreiben. Man arbeitet sehr lange, über viele Wochen & Monate auf dieses eine Ziel hin und richtet seinen Alltag darauf aus. Die mentale Anspannung baut sich dann, desto näher man dem Ziel kommt, immer weiter auf. Wenn dann das Turnier vorbei ist und man als Weltmeister ganz oben auf dem Treppchen steht, fällt von einem zuerst eine unheimliche Last ab. Zuerst kommt der Moment der puren Freude. Das Geschehene begreift man auch erst nicht. Nach der ersten großen Freude und wenn man etwas zur Ruhe kommt, fällt dann vor allem der Wegfall der Anspannung ins Gewicht und starke Müdigkeit tritt ein. Man wundert sich dann vielleicht etwas, warum man nicht so ausgiebig feiert, wie es sein sollte, aber es ist dann vor allem ein inneres Gefühl der Zufriedenheit, das sich einstellt. Bei meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich erstmal zwei komplette Tage Auszeit benötigt, um wieder zu regenerieren. Daher kann ich die Kritik an der Nationalelf nicht teilen, dass nur wenig und verhalten gefeiert wurde. Wer anschließend noch über Tage feiern kann, hat sich nicht verausgabt bzw. alles für den Erfolg getan.

CRN: Haben Sie auch bei der WM in Brasilien mitgefiebert? Für welche National- und Vereinsmannschaft schlägt ihr Herz besonders?
Schellhase: Natürlich fiebere ich für die deutsche Nationalmannschaft. Ich muss aber gestehen, dass ich nicht unbedingt ein Fan von Jogi Löw bin. Daher bin ich bei Spielen unserer Mannschaft äußerst kritisch. Viele Entscheidungen aus der Vergangenheit kann ich nicht nachvollziehen. Oft wurden Spieler, die sich die Teilnahme an der WM verdient haben, unberücksichtigt zuhause gelassen. Dazu ist die Mannschaft in wichtigen Spielen oft ängstlich aufgetreten und falsch eingestellt worden. Diesmal wurde Jogi durch die Verletzung Mustafis zumindest gezwungen zu reagieren als es gegen Algerien eng wurde. Daran sieht man auch, wie eng Erfolg und Misserfolg zusammen liegen. Böse Zungen behaupten gar, man wurde „trotz Jogi“ Weltmeister. Im Vereinsfußball bin ich mit Leib und Seele „60ziger“. Als Knirps hat mir der Durchmarsch von der Bayern-Liga in die erste Bundesliga imponiert. Vor allem mit der von Werner Lorant damals vorgelebten Mentalität für sein Ziel hart zu arbeiten, konnte ich mich sehr gut identifizieren.

CRN: Wie eng ist für Sie der Bezug zwischen eSports und realen Wettkämpfen? Ist das eine völlig eigene Welt, oder muss man – gerade angesichts der immer realistischeren Spiele - auch echten Fußball mögen und verstehen, um ihn virtuell gut spielen zu können?
Schellhase: eSport ist realer Wettkampf. Und genau da liegt der Bezug. Bei FIFA gibt es lediglich noch ein reales Pendant, der Fußball. Es geht in Beidem um das gleiche, weshalb taktisches Verständnis eine Grundvoraussetzung ist. Man kann daher theoretisch aus beiden „Welten“ etwas lernen bzw. mitnehmen und übertragen. Dennoch sind die Anforderungen hier grundverschieden und benötigen unterschiedliche Fähigkeitsschwerpunkte. Da elektronisch vor allem der 1vs1-Modus im Fokus steht, spielt hier der Teamgedanke und die individuelle Entscheidung des Einzelnen auf dem „Platz“ keine Rolle, was allerdings im Umkehrschluss dazu führt, dass die volle Verantwortung für das Ergebnis auf einer einzelnen Person ruht und dementsprechend einen höheren Druck aufbaut.

CRN: Angesichts dieser Energie, die man in so eine Karriere stecken muss: Finden Sie, dass den eSports und den erfolgreichen Spielern und Teams in Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird? Gerade in Asien sind sie ja oft ähnlich bekannt wie Popstars.
Schellhase: Die Frage ist natürlich zuerst, ob eine Popstar-ähnliche Verehrung überhaupt erstrebenswert ist. Der Einfluss auf das Privatleben ist hier doch enorm und alltägliche Dinge lassen sich nicht mehr „mal eben erledigen“. Allgemein ist das aber eine Frage, die man in vielen Sportarten in Deutschland stellen kann. Die abgelieferte Leistung in anderen Sportarten ist oft nicht geringer einzustufen, allerdings findet diese Leistung wesentlich weniger Beachtung. Wenn man sich für einen leistungsorientierten Weg entscheidet, geht es aber im Grunde auch nicht darum, wie viel Beachtung Einem geschenkt wird. Es geht darum, sich mit anderen zu messen, seine Grenzen kennen zu lernen und sich darin selbst zu verwirklichen. Im Grund geht es darum, es sich am Ende selbst zu beweisen. Wenn es „nur“ um Aufmerksamkeit gehen würde, könnte man sein Ziel nicht so hartnäckig verfolgen.

CRN: Haben Sie noch ab und an Zeit, um Computer oder Konsole zu spielen? Wenn ja: am liebsten FIFA, oder auch andere Spiele?
Schellhase: Mittlerweile komme ich nur noch sehr selten zum Spielen. Hierbei habe ich auch keine festgelegtes Genre oder Spiel. Wenn ich aber mal dran bin, erwische mich immer noch, dass ich dann mit sehr viel Ehrgeiz an die Sache gehe. FIFA spiele ich nur unregelmäßig alle paar Wochen mal einen Abend mit Freunden. Ich selbst besitze es nicht einmal mehr, damit die gemeinsamen „Zock-Abende“ auch für mich eine Herausforderung sind. Wenn man acht Jahre jeden Tag auf professionellem Level trainiert hat, wirkt das Spiel auf privatem Level für den reinen Spaß nicht mehr so anziehend.

CRN: Was halten Sie von neuen Entwicklungen im Spiele-Markt wie dem Free-to-Play Modell? Geht durch den fehlenden Kaufpreis einerseits und die Kaufoptionen von Verbesserungen andererseits ihrer Ansicht nach vielleicht der wirkliche Wille verloren, sich in einem Spiel über Jahre hinaus zu verbessern? Oder ist das schlichtweg eine Art Demokratisierung des Spielemarktes, weil nun jeder allestesten und spielen kann?
Schellhase: Das Problem im Spiele-Markt ist folgendes: Für den Spiele-Hersteller zählt vor allem der wirtschaftliche Aspekt. Daher entwickelt sich der Trend in den letzten Jahren dahin, Spiele zu entwickeln, die leicht zu beherrschen sind und in denen sich für jedermann schnell Erfolgserlebnisse einstellen. Spieler sollen nicht gefrustet, sondern möglichst lange motiviert werden. Ziel ist es dem Spieler zu vermitteln, ein Spiel jederzeit unter Kontrolle zu haben und gewinnen zu können. Die Langzeitmotivation spielt eine entscheidende Rolle. So werden z.B. heutzutage viele Zufallsvariablen eingebaut. Und sofern man überzeugt ist, Spieler langfristig mit einem Spiel motivieren zu können, lohnt sich für Hersteller das Modell der monatlichen Abonnierung. In solchen Spielen wird vollständig vermieden, jeglichen Frust aufkommen zu lassen, da dies den wirtschaftlichen Erfolg durch Abmeldungen schmälert.
Ein anderes Konzept ist das Free-to-Play mit Bezahlinhalten und Werbung, so dass Spieler entscheidende Vorteile durch In-App-Käufe oder das Betrachten von Werbeinhalten erlangen können. Dem gegenüber stehen kompetitive Gamer, die Spiele ausreizen und berechnen wollen. Dementsprechend lässt sich dann nur noch mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, die viel Raum für Glück und Zufälle lassen.
Mit beiden Konzepten kann ich mich persönlich nicht anfreunden, aber Sie sind für die Hersteller lukrative Konzepte, da hier immer wieder neue Einnahmen zu generieren sind, so dass sich auch die fortwährende Pflege eines Spiels lohnt. Einige Hersteller versuchen hier eine Balance zu finden, um beide Seiten glücklich zu stellen, was allerdings einem Drahtseilakt gleichkommt. Die derzeitigen Entwicklungen in diesem Markt sind äußerst spannend.

CRN: Nutzen Sie auch privat NAS, und wenn ja welches und wofür? Wie oft werden Sie privat als NAS-Spezialist »belästigt«?
Schellhase: Natürlich habe ich selbst ein NAS zuhause. Ich habe mich entschieden, bei Synology zu arbeiten, weil ich die Produkte liebe. Private verwende ich eine DS712+, die für mich aber eigentlich überdimensioniert ist. Ich benutze Sie lediglich als private Cloud und Multimedia-Zentrale. Ein sparsameres Gerät hätte hier auch gereicht. Natürlich werde ich auch oft im Freundes- und Bekanntenkreis zu Rate gezogen. Meist geht es aber eher um Unterstützung vor dem Kauf. Das passende Modell und Festplatten zu empfehlen. Hin und wieder kommen kleine Fragen wie: „Wie geht dies und das… wo mache ich…“ Das hält sich aber noch alles in Grenzen.

CRN: Besten Dank für diese außergewöhnlichen Einblicke, Herr Schellhase.


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