Die VW-Abgasaffäre ist ein schwerer Schlag für »Made in Germany«. Dabei wusste schon Lessing, dass man Betrug auch als kleine Veränderung des Glücks auslegen kann.
Jetzt sitzt VW also richtig in der Patsche. Und mit VW die ganze deutsche Automobilindustrie. Ja womöglich sogar das ganze deutsche Industriewesen. Dass ausgerechnet deutsche Ingenieure, die doch weltweit für verbohrte Korrektheit stehen, mittels einer eigens entwickelten Mogelsoftware systematisch Abgaswerte manipulieren, könnte dem Gütesiegel »Made in Germany« schweren Schaden zufügen. Das befürchten zumindest einige Politiker, Vertreter der Industrieverbände und Siegbert Wortmann, der nun bitter bereuen dürfte, dass er dem Firmennamen seiner Wortmann AG jüngst den Zusatz »IT made in Germany« hinzufügte.
Ja, die VW-Abgasaffäre wird von erstaunlich viel Hysterie begleitet. Spricht man künftig im Ausland vom deutschen Erfindergeist, werden wohl wieder weniger freundliche Klischees bemüht: Etwa das althergebrachte vom »Mad Scientist«, also dem deutschesten aller deutschen Ingenieursgenies – Doktor Frankenstein (Der laut Erfinderin Mary Shelley eigentlich Schweizer ist, das ist den Amerikanern aber Wurst).
Bevor nun aber eine aufgebrachte Volksmenge mit Knüppeln, Fackeln und Mistgabeln das Wolfsburger Konzernschloss stürmt und die Volkswagen-Frankensteins ihrem vermeintlich verdienten Schicksal überführt, möchten wir hier zu mehr Gelassenheit mahnen. Wir erinnern in diesem Zusammenhang gerne an eine Szene in Gotthold Ephraim Lessing Lustspiel »Minna von Barnhelm«, in welchem der französische Chevalier Riccaut de la Marliniere, von der deutschen Titelheldin der Betrügerei bezichtigt, die bedenkenswerten Worte erwidert: »Das nenn die Deutsch betrügen? Oh, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für ein plump Sprak!« Corriger la fortune – das Glück verändern, sei der passendere Ausdruck, befindet der kluge Glücksritter. Drücken also auch wir ausnahmsweise zwei Augen zu und entlassen die Schummel-Konstrukteure mit einem blauen Brief! Dann kann auch Bundesverdienstkreuzträger Siegbert Wortmann beruhigt an einem glücksveränderndem Firmenzusatz tüfteln: »IT made in Germany (but not a cheat)«