Nach dem Anschlag von Halle

Mord als Videospiel

10. Oktober 2019, 17:24 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Internationale Loser-Netzwerke

Das sei ein gängiges Motiv in antifeministischen Internet-Strömungen, sagt Terrorismusforscher Peter Neumann vom Londoner King's College. Männer bezeichneten sich dort als Loser, weil sie keine Frau abbekommen haben. »Es gibt sogar Hitlisten mit berühmten Losern dort«, sagt Neumann. »Je bescheidener und ironischer man in seinem eigenen Manifest ist, desto mehr wird man dort gefeiert. Das ist sein Publikum.« Ob er in solchen Gruppen aktiv war, ist derzeit aber noch nicht klar.

»Sein Publikum für diesen Anschlag waren nicht irgendwelche Neonazis in Thüringen, sondern ein internationales Publikum«, sagt Neumann. »Ich glaube, für jemanden wie ihn sind Anders Breivik oder die Attentäter von Christchurch und El Paso viel wichtigere Inspirationsquellen als die Neonazi-Kameradschaft um die Ecke.« Was nicht heißen muss, dass es hier keinerlei Berührungspunkte gibt - am Tag nach der Tat war vieles über Stephan B. noch unbekannt.

Stephan B.s Weltbild scheint eine Art Extremismus von der Stange zu sein. Neumann spricht von einem »Baukastenprinzip«, das rechte Online-Kulturen lieferten. »Da gibt es alle möglichen Feindbilder – Juden, Frauen, Mexikaner in den USA, und alles ist innerhalb dieser Kultur ein legitimes Ziel.«

Die Extremismus-Forscherin Julia Ebner von der Londoner Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue spricht von »inspirativem Terrorismus in losen Online-Netzwerken«. In ihrem gerade veröffentlichten Buch »Radikalisierungsmaschinen: Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren« beleuchtet sie radikale Online-Netzwerke unterschiedlicher Couleur. B. hält sie am Tag nach der Tat für einen Einzeltäter, der sich aber online hat inspirieren lassen. »Das folgt einem Muster, das wir in der Vergangenheit auch bei IS-Einzeltätern beobachten konnten: Den Copycat-Terrorismus, der im Dschihadismus Anschlagswellen bewirkt hat, könnte es jetzt auch zunehmend auf rechtsextremer Seite geben.«


  1. Mord als Videospiel
  2. Vorbild Videospiel
  3. Internationale Loser-Netzwerke

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