Rüdiger Schmitt-Beck, Professor für Politische Soziologie und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung, lässt Mängel an den Methoden der US-Wahlforschungsinstitute nicht gelten. »Die Umfrageforschung in den USA ist ziemlich gut«, sagt er. Allerdings müsse man unterscheiden, nämlich zwischen der akademischen und kommerziellen Forschung. Letztere müssten eigentlich ihre Methoden an das geänderte Wählerverhalten anpassen, doch sie scheuten die damit verbundenen Millionen schweren Investitionen. Folge: In vielen Stichproben stimmen die Gewichtungen nicht mehr, weil beispielsweise Protestwähler, die politische Institutionen und das Establishment ablehnen, also die typische Trump-Klientel, eher nicht an Umfragen teilnehmen. So entsteht kein Spiegelbild der Gesellschaft. »Eine Auskunftspflicht wäre gut, ist aber nicht durchsetzbar«, sagt Schmitt-Beck.
Hinzu kommt, dass Mobiltelefone und das Internet den primären Kontakt zum Wähler erschweren. Rund die Hälfte der US-Bürger besitzen nur noch ein Handy und kein Festnetz mehr. Das Gesetzt verbietet es Meinungsforschern aber, Handy-Besitzer anzurufen. Die Quote der Angerufenen sank daher von einstmals 80 Prozent auf nunmehr zehn Prozent. Da Festnetz vor allem bei älteren Bürgern genutzt wird, besteht die Schwierigkeit, überhaupt ein in der Zusammensetzung nach Alter repräsentatives Panel zu erhalten. Die Folge: Institute begnügen sich mit kleineren, unzuverlässigeren Stichproben. Erst recht schwierig vorzunehmen sind die Gewichtungen bei Online-Umfragen. Die freiwilligen Teilnehmer können nicht so ausgewählt werden, dass sie ein Gesamtbild der Bevölkerung repräsentieren.
Zu den methodischen Schwächen von Wahlvorhersagen gesellen sich in einem von Medien hochgeschaukelten Wahlkampf mangelnde Relativierungen und Differenzierungen: Prognosen würden von Medien oft so präsentiert, als würde hier schon der Wahlausgang feststehen. »Eine Prognose ist kein Ergebnis, was Medien gerne unterschlagen«, sagt Rüdiger Schmitt-Beck. Medien lieben polarisierende und entsprechend aufmerksamkeitsstarke Wahlkämpfe. Klassisch zuverlässige Politbarometer sind sie aber nicht mehr. Die Statistiken der Wahlforscher sind eben wie Straßenlaternen, die kein Licht auf die methodischen Schwächen werfen, Demoskopen und Journalisten aber immerhin gemeinsamen Halt gewähren.