Der anhaltende Halbleitermangel setzt fast allen Branchen zu. Auch die Server- und Storage-Sparte hat mit der Ungewissheit zu kämpfen. Doch Georg Klauser und Andreas Hansen, CEO und COO bei Boston Server & Storage Solutions, sehen Licht am Ende des Tunnels.
Der aktuelle Mangel in der Halbleiterindustrie rüttelt die Server- und Storage-Sparte wach, aber auch Industrien weltweit. Die Automobilindustrie – die am meisten publizierte Industrie – kann der abrupt angestiegenen Nachfrage mit dem Konzept „Just-in-time“ nicht mehr Folge leisten wie in den Jahren davor, da Wertschöpfungsprozesse pandemiebedingt unterbrochen wurden. Doch nicht nur die Autobauer und deren Zulieferer haben mit der Lücke im Chipmarkt zu kämpfen, auch die Elektronik-, die Industrie- und die Computerbranche sind betroffen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch alle Branchen. Jeden Monat werden neue Missstände sichtbar, die bisher im Verborgenen blieben, da die normalen Produktionseinheiten im Halbleitermarkt bisher ausreichten, um die gewöhnliche, prognostizierbare Nachfrage zu decken.
Fragen ohne Antworten und Ungewissheit häufen sich und erschweren das langfristige Prognostizieren für die Zukunft. Altbekanntes Vorgehen und verlässliche Prognosen machten die Pandemie und das einhergehende Ungleichgewicht in der Weltwirtschaft in kürzester Zeit zunichte. Die heutige Situation zeigt stärker denn je auf, wo Systemschwachstellen in Industrie und Handel zu finden sind und welche Auswirkungen es auf die Weltwirtschaft im Gesamten hat. Die Ursachen sind vielfältig; der Stein des Anstoßes war die Pandemie.
Denn die Pandemie führte vor allem auch zu einem Digitalisierungsschub. Mitarbeiter mussten abrupt von zu Hause arbeiten, Systeme wurden in Windeseile modernisiert oder komplett auf Remote-Betrieb umgestellt. Es entstanden neue, zuvor undenkbare Arbeitsformen. Das erhöhte sprunghaft den Bedarf an Computern, Notebooks und Systemen, in denen Chips jeglicher Art und deren wichtigstes Grundmaterial, Halbleiter, verbaut werden. Von der gestiegenen Nachfrage nach Spielekonsolen, Elektronik- und anderen Unterhaltungsgeräten im privaten Bereich einmal abgesehen. Die Halbleiterindustrie war auf solch einen massiven Nachfrageanstieg nicht vorbereitet. Doch auch ohne die aktuelle Zuspitzung ungünstiger Umstände in der Weltwirtschaft, wie beispielsweise dem Handelsstreit zwischen den USA und China oder den Produktionsausfällen innerhalb der Halbleiterindustrie, wäre das Angebot an Halbleitern durch die seit Jahren steigende Digitalisierung irgendwann knapp geworden. Die Pandemie hat dies nur beschleunigt und die Chip-Knappheit auf extreme Weise offengelegt.
Im Storage- und Server-Markt zeigt sich die Chip- und Halbleiter-Verknappung momentan durch eine massive Beeinflussung bei den Lieferzeiten von Server- und Storage-Systemen. Verschiedene Typen von Halbleitern sowie Micro- und Computerchips, die in heutigen Systemen verbaut sind, können nicht oder nur verzögert geliefert werden. Es kommt teilweise zu Wartezeiten von bis zu sechs Monaten – im Bereich Netzwerkinfrastruktur sind die Wartezeiten sogar noch länger. Über das gesamte Jahr 2021 hinweg spitzte sich diese Verknappung weiter zu, da gewöhnliche Lagerbestände bei den Halbleiter-Herstellern und Zulieferern restlos aufgebraucht waren. Bei Chipkomponenten und Halbleitern kommt noch erschwerend hinzu, dass diese ein Verfallsdatum haben und nicht auf unbestimmte Zeit eingelagert werden können.
Das Preisgefüge dieser Sparte scheint zudem aus dem Gleichgewicht zu geraten. Teilweise ist zu erkennen, dass sich die Preise für Halbleiter und andere knappe Güter verdoppeln. Vor allem auch die Preise für Aluminium oder die Logistikkosten für bestimmte Komponenten und Systeme explodieren derzeit förmlich.
Mit Blick auf das neue Jahr ist eine leichte Verschärfung im Halbleitermarkt zu erwarten, da sich der Chip-Engpass über den gesamten Globus ausgebreitet hat und die Nachfrage nach Halbleitern ungebremst weiter ansteigt. Dennoch gibt es positive Anzeichen für Veränderung ab dem zweiten Quartal 2022. Die USA investieren bereits Milliarden in neue Produktionsstätten. Auch Europa – speziell Deutschland – fördern wieder verstärkt Forschungs- und Investitionsvorhaben. Neue Produktionsstätten für Halbleiter sind geplant, werden fertiggestellt oder wurden 2021 bereits eröffnet wie beispielsweise die neue Chip-Fabrik in Dresden. Mehr europäische Werke könnten künftig die Produktions- und Lieferketten von Halbleitern sicherstellen. Die Hoffnung liegt nahe, dass mehr eigene europäische Fabriken langfristig und in diesem Bereich zu einer stärkeren technologischen Unabhängigkeit Europas führen. Dies würde auch die Lage im Server- und Storage-Markt entspannen, die Verfügbarkeiten wichtiger Komponenten garantieren und die Preise wieder auf Normalniveau bringen.