Parallel zur Regelleistungsvorhaltung können Notstromaggregate auch dazu dienen, die Strombezugslast des Rechenzentrums oder die seines vorgelagerten Netzbetreibers konstanter zu gestalten. Dies kann das Verteilnetz wirksam entlasten. Es gibt dabei grundsätzlich zwei Optionen.
Erstens: Bestandsaggregate, die vor dem 1.1.2023 in Betrieb gegangen sind, haben Anspruch auf sogenannte vermiedene Netzentgelte nach Paragraf 18 StromNEV. Wenn die Aggregate zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast des Anschlussnetzbetreibers eingespeist haben, reduzieren sie dessen Leistungsentgelt im Bezug aus der vorgelagerten Netzebene. Die eingesparten Kosten sind gemäß vorstehender Norm an den dezentralen Einspeiser auszuzahlen. Sie betragen – je nach Netzbetreiber und Netzebene – üblicherweise zwischen 20.000 Euro/MW und 60.000 Euro/MW.
Mit einer guten Prognose der relevanten Jahreshöchstlastmomente in der betreffenden Verteilnetzebene genügen beispielsweise 30 Stunden Betrieb pro Jahr, um dieses Entgelt für sogenannte dezentrale Einspeisevergütung zu realisieren.
Zweitens: Alle Aggregate, das heißt auch solche in Rechenzentrums-Neubauten, können zur Reduzierung der Netzentgelte für den Strombezug des Rechenzentrums dienen. Dabei wird der Online-Messwert des Übergabezählers kontinuierlich überwacht und bei Erreichen oder Überschreiten eines vorab definierten oder dynamisch generierten Schwellenwerts der Betrieb von Aggregaten getriggert, sodass sich der für die Netznutzung abrechnungsrelevante Viertelstundenwert des Strombezugslast über temporäre Eigenversorgung einzelner Notstromaggregate reduziert. Dies senkt den Leistungspreis aus der Netznutzung wirksam.
Die Jahresleistungspreise für Netzbezug in der Netzebene Mittelspannung (Tarifzone über 2.500 h) liegen üblicherweise zwischen 60.000 Euro/MW und 120.000 Euro/MW. Das Optimierungskonzept kann daher schon bei geringen Lastspitzen erhebliche Beiträge generieren. Dieses Modell kann auch zur aktiven Überwachung der Bedingungen individuellen Netzentgelten (etwa sogenannter intensiven Netznutzung nach Paragraf 19 Abs. 2 StromNEV) dienen, sofern eine entsprechende individuelle Netzentgeltvereinbarung mit dem Anschlussnetzbetreiber besteht. Wenn durch die Kappung von ungewollten Lastspitzen die in der Verordnung geforderten 7.000 Vollastbenutzungsstunden erreicht werden, sind in diesem Fall signifikante Einsparungen möglich. Ob diese aktive Spitzenlastkappung auch robust und mit wenigen gezielten Eingriffen umsetzbar ist, können Experten im Vorfeld per retrospektiver Auswertung von Strombezugsprofilen bewerten.
Geringer Aufwand
Der Aufwand für die Umsetzung ist überschaubar. Zunächst ist mit dem Anschlussnetzbetreiber zu klären, ob die Aggregate für den netzparallelen Betrieb genutzt werden dürfen und welche Anforderungen aus der VDE-AR-N 41106 im vorliegenden Fall gelten. Oft liegt kein Einheitenzertifikat für die Aggregate vor, sodass gegebenenfalls alternativ ein Einzelnachweisverfahren (Anlagengutachten) zu erstellen ist, das die Netzverträglichkeit der Erzeugungsanlage nachweist. RWE Supply and Trading bietet dazu aktive Unterstützung bei der Klärung mit dem Anschlussnetzbetreiber an.
Nachdem sich der Rechenzentrumsbetreiber anschließend mit seinem energiewirtschaftlichen Aggregator über die vertraglichen Bedingungen geeinigt hat, ist die Installation einer sicheren Fernwirktechnik erforderlich. Nach Abstimmung des übersichtlichen Signalumfangs (Verfügbarkeit, Treibstofffüllstand, Ein/Aus, Ist-Leistung) stellt RWE eine vorparametrisierte sogenannte RWE-Flex2-Market-Box zur Verfügung, sodass der vom Rechenzentrumsbetreiber beauftragte Hersteller oder Wartungsdienstleister der Notstromaggregate die Anbindung des Fernwirkgeräts mit der Anlagensteuerung des Aggregates oder dem vorgeschalteten Leitsystem übernehmen kann.
Der Anschluss kann dabei wahlweise über Profibus, Modbus oder potenzialfreie Kontakte erfolgen. Nur wenn im Rahmen der Spitzenlastkappung die dezentrale Einspeisevergütung realisiert werden soll, ist zur messtechnischen Abgrenzung der Notstromaggregate-Einspeisung von der zeitgleichen Bezugslast des Rechenzentrums außerdem die Installation zusätzlicher Zähleinrichtungen an den Aggregaten erforderlich, sofern diese noch nicht vorhanden sind. Damit kann die Vermarktung beginnen.