Berechtigterweise sind Betreiber von Rechenzentren skeptisch, wenn es darum geht, Dritten Zugriff auf ihre Notstromversorgung zu gewähren. Schließlich handelt es sich um ihre letzte Absicherung gegen Stromausfälle und damit gegen etwaige Informationsverluste oder einen Funktionsausfall zum Beispiel ihrer Datenbanken. Wie bei jeder geschäftlichen Entscheidung ist es sinnvoll, solche Vorbehalte und Bedenken daher zwar gründlich, aber eben auch ergebnisoffen zu überprüfen.
RWE Supply and Trading hat diese Bedenken zum Anlass genommen, mit dem TÜV Nord EnSys einen ausgewiesenen Experten für Notstromversorgung in kritischen Systemen mit einer dezidierten Prüfung seiner Dienstleistung „Erlösquelle Notstromaggregat“ bezüglich etwaiger Rückwirkung auf die Versorgungssicherheit des Rechenzentrums zu beauftragen. Das TÜV-Ergebnis ist eindeutig: Solange bestimmte Auflagen beachtet werden, steht einer energiewirtschaftlichen Nutzung vorhandener Notstromaggregate nichts entgegen. Die Notstromversorgung wird dadurch nicht gefährdet, und die Zertifizierung des Rechenzentrums nach DIN EN 50600 bleibt erhalten.
Da RWE bereits umfängliche Sicherheiten der eingesetzten Systeme bietet (ISMS Zertifizierung, „Fail Safe“-Einrichtungen etc.), hatte der TÜV nur wenige Hinweise. Konkret geht es um IT-Security-Anforderungen an die Fernwirktechnik, Redundanz der Leistungsschalter zur Trennung von Versorgungsnetz und Notstromschiene, eine Abnahme- und Funktionsprüfung nach Installation der Fernwirktechnik sowie Überspannungsschutzeinrichtungen für die Fernwirktechnik. Grundsätzlich lässt sich also festhalten: Ein rückwirkungsfreier Zugriff auf die Notstromaggregate ist möglich. Da das Konzept von RWE lediglich darauf abstellt, die Aggregate in weniger als 50 Stunden Betrieb pro Jahr zu nutzen und die vorgegebenen Betriebslimits (zum Beispiel 15 h/Monat, lokale Nachbetriebsverbote etc.) strikt eingehalten sind, bleiben die Anlagen weiterhin als Notstromaggregate im genehmigungsrechtlichen Sinne qualifiziert. Zum Nachweis der Funktionsfähigkeit der Notstromanlage muss diese regelmäßig (etwa monatlich für eine Stunde zuzüglich etwaiger Black-building-Tests) zu Testzwecken mit jeweils mindestens 50 Prozent Last laufen. Beim Verbrennungsprozess entstehen zwangsläufig CO2-Emissionen. Wenn diese Probebetriebe nun teilweise zeitlich flexibilisiert werden, sodass der Strom dann erzeugt wird, wenn das Elektrizitätsversorgungssystem ihn zur Netzentlastung oder -stützung benötigt, stellt dies aus volkswirtschaftlicher Sicht einen ressourceneffizienten als auch umweltverträglicheren Ansatz dar, denn unnötige Emissionen entstehen nicht.
Die Betriebszeiten infolge der energiewirtschaftlichen Mitnutzung steigen allerdings von üblicherweise zwölf Stunden pro Jahr für den originären Probebetrieb auf bis zu 50 h/a. Mit den energiewirtschaftlich realisierten Erträgen lassen sich jedoch weitere Initiativen bezahlen, die zu einen insgesamt nachhaltigeren Einsatz der Notstromaggregate führen.
Einsatz eines alternativen Kraftstoffs
Üblicherweise laufen Notstromaggregate mit Dieselkraftstoff oder leichtem Heizöl in Dieselqualität (EN 590). Allerdings sind die meisten Motoren auch für den Betrieb mit dem regenerativ hergestellten Kraftstoff „HVO100“ zugelassen. Bei „Hydrated Vegetable Oil“ handelt sich um einen synthetisch hergestellten Kraftstoff aus Pflanzenölen oder auch aus gebrauchten Speiseölen, dessen Zusammensetzung mit fossilem Diesel vergleichbar ist.
HVO lässt sich zudem beliebig mit fossilem Dieselkraftstoff mischen, ist stabil oder sogar besser zu lagern und weist sehr gute Verbrennungseigenschaften auf. Da die Basis von HVO nachwachsende Rohstoffe sind, verringern sich im Vergleich zu herkömmlichem Dieselkraftstoff die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent. HVO100 ist lediglich etwa zehn Cent/Liter teurer als fossiler Kraftstoff. Diese geringen Mehrkosten lassen sich ohne Weiteres aus den energiewirtschaftlichen Erträgen refinanzieren.
Emissionszertifikate fördern Klimaschutzprojekte
RWE bietet Kunden freiwillige Emissionszertifikate (sogenannte Voluntary Emissions Rights, VER) an. Damit lässt sich der gesamte mit dem Betrieb der Diesel-Aggregate verbundene CO2-Ausstoß internalisieren Mit den Zertifikaten werden akkreditierte Klimaschutzprojekte gefördert. Die Zertifikate sind aus einer großen Zahl verschiedener Klimaschutzprojekte auswählbar. Die Preise für die freiwilligen Emissionszertifikate liegen bei vier bis 40 Dollar pro Tonne CO2, je nach Klimaschutzprojekt, SDG und Jahreskennung. Ambitioniertere Rechenzentrumsbetreiber können nicht nur Zertifikate für den Dieseleinsatz erwerben, sondern mit weiteren Zertifikaten den gesamten Stromverbrauch des Rechenzentrums klimaneutral stellen.
Claudius Beermann ist im Commercial Asset Management bei RWE Supply & Trading tätig.