Das neue Rechenzentrum entstand auf Grundlage eines Energiezellenkonzepts. Pro Zelle sind Verbraucher mit zusammen einem Megawatt an Leistungsbedarf installiert. Die Absicherung erfolgt über ein dediziertes USV-System vom Typ Wöhrle Wisus-MS, dass auf einem Huawei-USV-Produkt basiert. Es stellt pro Zelle mit 1,25 MW Kapazität bereit, sodass Überlastsituationen ausgeschlossen sind. Als Backup für die USVs ist je Zelle ein Dieselaggregat vorgesehen, das normalerweis in weniger als einer Minute anläuft. Sollte der Diesel wider Erwarten nicht starten, verfügen die anderen Energiezellen über genug Kapazität, um die ausgefallene Zelle zusätzlich zu versorgen. Jede Energiezelle hat eine separate 400V-Mittelspannungseinspeisung und liefert einen autarken Stromstrang sowie einen Kühlluftkanal in die Hosting-Fläche. Alle Verbraucher im Rechenzentrum erhalten zwei getrennte Netze aus jeweils voneinander unabhängigen Energiezellen. Das Thema Redundanz zieht sich als Designkonzept durch die gesamte Anlage. Die USVs sind einschubmodular aufgebaut. Die Gesamtleistung kommt aus zwei Systemschränken. Insgesamt könnte die Wisus-MS acht parallele Einheiten zu einem System mit insgesamt 6,4 MW Gesamtleistung verbinden. Jeder der beiden Systemschränke enthält zwölf Leistungsmodule mit 50 kVA in einer n+1-Konfiguration. Insgesamt zwei Leistungsmodule könnten komplett ausfallen, ohne dass die zugsicherte Gesamtleistung für die Energiezelle gefährdet wäre.
Lithium-Eisenphosphat-Zellen
Die Energiespeicher sind auf sechs Schränke mit jeweils 16 Batterien pro Schrank verteilt. So kommen gut 41 kWh pro Schrank zusammen, was der USV-Anlage pro Energiezelle zu einer Überbrückungszeit von zehn Minuten bei Volllast verhilft. Durch die erheblich höhere Leistungsdichte der Lithium-Ionen-Akkus konnten die Betreiber im Vergleich zu Bleiakkus die Hälfte der Aufstellfläche einsparen. Da jedoch Li-Ion nicht gleich Li-Ion ist, kommt auch dem spezifischen Batterieaufbau große Bedeutung zu. Wöhrle Stromversorgungssysteme nutzt bei der Wisus-MS Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LiFePO4). Sie sind chemisch sehr stabil und unempfindlich gegen Beschädigung. Die Feuergefahr ist sehr gering, eine Selbstentzündung, oft das wichtigste Argument gegen den Einsatz von Li-Ion-Technik, droht erst ab 600 °C. Der Nageltest, bei dem die Zelle in einer kontrollierten Umgebung mit einem spitzen Metallgegenstand durchschlagen wird, führt bei LiFePO-Zellen lediglich zum Funktionsverlust und hat keine Entzündung oder Explosion zur Folge.
Fazit und Erfahrungen
Mittlerweile ist das Rechenzentrum NBG6-BA2 in Nürnberg nach leichten Corona-bedingten Verzögerungen in Betrieb gegangen. Installation, Aufbau und Test der Li-Ion-USV-Anlagen liefen problemlos. Noris Network konnte erste Erfahrungen mit den Systemen sammeln. Florian Sippel fasst die wichtigsten Eindrücke zusammen: „Die Vorzüge der höheren Leistungsdichte, sowie des geringeren Gewichts und Platzbedarfs sprechen eindeutig für die Lithium-Technologie. Und für uns ist die Wirtschaftlichkeit über die Lebensdauer entscheidend. Da hat Li-Ion eindeutig gewonnen.“
Dazu trage der hohe Wirkungsgrad der Wisus-MS von bis zu 97 Prozent im Normalmodus bei, zudem die einfache Wartung und Erweiterung des Systems im laufenden Betrieb (Hot-Swap-Fähigkeit). Ebenfalls positiv fällt die unkomplizierte Fernwartung durch die Netzwerkanbindung der USV-Anlage über SNMP und Modbus-TCP auf. Sie liefert den Technikern von Wöhrle jederzeit einen eindeutigen Status des Systems und schnellen Zugriff bei Service-Anfragen. Formal gab es ebenfalls keine Schwierigkeiten mit der neuen Technik, so Florian Sippel: „Die Sachversicherer stellen in Bezug auf Aufstellung, Betrieb, Brandschutz oder Klimatisierung keine höheren Anforderungen als an Bleibatterien. Auch unsere Kunden sehen Li-Ion-Technik positiv und als innovative, zukunftsträchtige Lösung im Rechenzentrum.“
Elisabeth Maller arbeitet als freie Journalistin in München.