Versuche, Amazon von unberechtigten Vertragsstrafen zu überzeugen, fruchten wenig. »Wir können ja sehen, dass wir pünktlich geliefert haben. Die Nachprüfung ist aber mit einem immensen administrativen Aufwand verbunden und macht daher wenig Sinn«, sagt der Vertriebsleiter eines Distributors.
Amazon verweist gegenüber CRN auf ein gemeinsames Portal, über das Lieferanten mit Amazon Lieferabweichungen klären können. »Neben dem Portal können auch Vendor-Manager in die Kommunikation mit den Lieferanten eingeschaltet sein«, heißt es weiter. Allerdings: Dieser persönliche Ansprechpartner sei »schwer erreichbar« oder – auch das bestätigen einhellig alle von CRN befragten Lieferanten – »hat ohnehin schon wieder gewechselt«, sagt ein Informant im CRN-Gespräch.
Für hohe – freilich aus Sicht der Distributoren – aufgelaufene Forderungen sind die Vendor-Manager bei Amazon ohnehin nicht die richtigen Ansprechpartner. Da suchen die Geschäftsführer, oft auch Gründer und Gesellschafter in einer Person, das Gespräch mit der Geschäftsleitungsebene von Amazon in Deutschland. Ganz nach oben, zu Ralf Kleber, der seit 1999 an der Spitze von Amazon Deutschland steht und sich rühmt, der am längsten im Amt befindliche Country-Manager zu sein, stoßen sie jedoch nicht vor. Bis zur Geschäftsleitung hat es immerhin ein Distributionsmanager geschafft, um bei Amazon in München über ausstehende Forderungen zu verhandeln, berichtet er CRN.
Zahlen will er keine nennen. Als er indes von CRN erfährt, dass Amazon einem seiner Mitbewerber, dessen Forderungen auf über eine Million Euro aufgelaufen sind, eine gütliche Einigung in Höhe von zehn Prozent der offenen Posten vorgeschlagen habe, hellt sich seine Miene sichtlich auf: »Da habe ich deutlich mehr erreicht.«
Um allerdings überhaupt einen Termin zur persönlichen Vorsprache bei Amazon zu erhalten, musste besagter Distributionsgläubiger von über eine Million Euro juristisch gegen Amazon Luxemburg, die offiziell bestellende Landesgesellschaft, vorgehen. Nach längerer Suche fand er einen Anwalt, der bereit war, in diesem steuerlich für jeden globalen Konzern attraktiven Großherzogtum gegen Amazon vorzugehen. Ihm gelang es schließlich, gegen Amazon einen vollstreckbaren Titel zu erwirken. Ein für diesen Distributor notweniges Druckmittel, um überhaupt Gehör beim übergeordneten Amazon-Management zu finden. »Erst dann haben wir von Amazon in München einen Termin erhalten«, sagt der Chef dieses Großhändlers.
Wirklich zufriedenstellend lief es nicht. Die Pfändung einzuleiten, was rechtlich für ihn jetzt möglich wäre, würde allerdings den endgültigen Bruch der Geschäftsbeziehung mit Amazon bedeuten. Das freilich ist nicht im Sinne des Distributionschefs. Ihm geht es darum, sich mit dem Kunden Amazon letztlich gütlich zu einigen.