Amazon weniger mächtig als angenommen?

»Amazonisierung des Konsums«

26. Juni 2019, 10:07 Uhr | Martin Fryba
Amazon-Gründer Jeff Bezos: Stolz, auf ein stetig wachsendes Händlernetz, das mit dem Amazon-Direktverkauf harte, auch unfaire Kämpfe auszutragen hat.
© Amazon

Sind es 10 Milliarden Euro oder weniger, die Händler auf Amazon Deutschland umsetzen? Auf Zahlen, so richtig oder falsch sie sein mögen, kommt es ohnehin nicht an. Amazon-Chef Jeff Bezos verfolgt eine klare, für Händler weniger erfreuliche Vision.

Amazon Deutschland hat in einer ungeschickt formulierten Werbemail an potenzielle Marketplace-Händler unfreiwillig die Rechenkünste einiger Journalisten herausgefordert. Daraufhin wollen einige Medien ein von Amazon gut gehütetes Geheimnis gelüftet haben: Den Handelsumsatz der so genannten »Third-Party Sellers« auf Amazon.de. Die im Web kursierenden Zahlen verwies die PR-Abteilung des Etails umgehend in das Reich der Legende und dementierte ungewöhnlich heftig (CRN berichtete). Die Reaktion zeigt, wie dünnhäutig Amazon auf Schlussfolgerungen reagiert, man sei im E-Commerce gar nicht so mächtig wie landläufig angenommen.

Tatsache ist: Wie viel Handelsumsatz Amazon in Deutschland direkt erzielt, wie hoch die Verkaufsprovisionen und sonstige Marketing- und Logistikgebühren sind, die Amazon seinen Händlern in Rechnung stellt, und wie hoch die Umsätze der Amazon-Händler (Third-Party Sellers) sind, bleibt auch nach dieser Kommunikationspanne Spekulation. Marketingmails sind nämlich vor allem eines: Marketing und keine belastbare Mitteilung an die amerikanische Börsenaufsicht SEC.

Für Analysen muss einen längeren Blick in die offizielle Bilanz von Amazon geworfen und mehrere Faktoren berücksichtigt werden. AWS zum Beispiel hat mit dem Amazon-Produktverkauf sowie dem eigenen und fremden Abo- und Dienstleistungsgeschäft nichts zu tun. Die AWS-Zahlen tauchen dennoch in der Gesamtbilanz auf. Für 2018 weist der Etailer einen Gesamtumsatz von knapp 232 Milliarden Dollar aus, davon entfallen auf den eigenen E-Commerceabsatz 141,9 Milliarden, 91 Milliarden auf Service-Sales - wobei hier wiederum 25,65 Milliarden Dollar Umsätze von AWS enthalten sind.

Der Anteil der Händler am gesamten Handelsumsatz über die Webseiten von Amazon betrug 2018 58 Prozent. Das hatte Bezos überraschend offen im April seinen Aktionären mitgeteilt.

Nach den USA, mit einem Gesamtumsatz von über 160,1 Milliarden Dollar, ist Deutschland mit Erlösen von insgesamt 19,89 Milliarden Dollar der größte Auslandsmarkt für den US-Riesen, der damit auch explizit in der Bilanz auftaucht.

In den umgerechnet 17,4 Milliarden Euro Erlösen auf dem deutschen Markt in 2018 ist der AWS-Umsatz enthalten, den der Konzern nicht nach Ländern aufgeschlüsselt aufführt. Aus einer wie auch immer zustande gekommenen »Analyse« schließen zu wollen, dass Amazons Marktmacht im deutschen E-Commerce geringer sei als angenommen, ist falsch.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.


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