Die finanziellen Risiken der Insolvenzanfechtung lassen sich am besten anhand eines Beispiels darstellen: Normalerweise ist es so, dass ein Unternehmen seinem Auftraggeber ein Produkt liefert oder für ihn eine Dienstleistung erbringt. Der Auftraggeber bezahlt dafür. So weit so gut, würde man meinen. Jedoch bleibt das Risiko der Insolvenzanfechtung. Denn die Tatsache, dass der Auftraggeber bezahlt hat, bedeutet nicht automatisch, dass das Unternehmen den erhaltenen Betrag auch behalten darf. Denn wenn der Auftraggeber – auch lange nachdem er bezahlt hat – einen Insolvenzantrag stellen muss, kann dessen Insolvenzverwalter die Zahlung unter bestimmten Umständen zurückfordern, die Zahlung also anfechten. Im Extremfall kann das – auch mit den neuen Regelungen – bis zu vier Jahre rückwirkend sein.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Rückforderung sind nach der aktuellen Gesetzeslage und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs niedrig. So kann es u.U. bereits ausreichen, wenn der Auftraggeber nicht den ganzen Rechnungsbetrag bezahlen konnte und das Unternehmen ihm daraufhin einen Teil des Rechnungsbetrags stundet. Denn hier lauert das Problem: Aus der Tatsache, dass das Unternehmen dem Auftraggeber einen Teil der Rechnung stundet, folgert der Bundesgerichtshof, dass das Unternehmen weiß, dass sein Auftraggeber eigentlich kein Geld mehr hat, um die vollständige Rechnung – und die Rechnungen anderer Gläubiger – zu bezahlen. Die Zahlung an diesen einen Gläubiger benachteiligt daher die anderen Gläubiger des Auftraggebers, die dann ihr Geld überhaupt nicht mehr oder nur in Teilen bekommen. Auch wenn viele Betroffene die Insolvenzanfechtung als ungerecht empfinden, ist ihr Ziel Gerechtigkeit, nämlich die Gleichbehandlung aller Gläubiger.
Dr. Peter de Bra ist Rechtsanwalt im Geschäftsbereich Restrukturierung sowie Internationale Restrukturierung von Schultze & Braun. Er ist Experte für Insolvenzanfechtung. Schultze & Braun ist eine der größten insolvenzrechtlich ausgerichteten Kanzleien in Deutschland und bundesweit an mehr als 40 Standorten tätig. Dazu kommen die europäischen Standorte in Straßburg, Paris und London.