Neue politische Initiativen, aber auch die Corona-Pandemie, haben der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in den vergangenen Monaten einen Schub beschert. Doch im medizinischen Alltag ist Deutschlands Ärzteschaft noch gespalten, wenn es um den Einsatz digitaler Technologien geht. Während Ärzte in Kliniken mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote sind, zeigen sich Praxis-Ärzte skeptischer. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Ärzteverband Hartmannbund unter mehr als 500 Ärzten in Deutschland im November 2020 durchgeführt hat. Der Skepsis zum Trotz schreitet die Digitalisierung innerhalb der Praxen und Kliniken jedoch voran: Jeder zweite Arzt erstellt Medikationspläne überwiegend digital. Eine digitale Patientenakte ist bereits bei 66 Prozent im Einsatz – 31 Prozent bewahren die Akten allerdings noch abgeheftet in Schränken oder Regalen auf. 61 Prozent verwalten eigene Notizen und Dokumentationen digital – und 37 Prozent analog.
Die Kommunikation hingegen verläuft noch größtenteils traditionell: Das Telefon ist der wichtigste Kanal im Austausch mit Patienten, Apotheken und Praxen. Jeder fünfte Arzt hält den Kontakt zu Praxen überwiegend per Briefpost, 22 Prozent setzen vornehmlich auf das Fax. Lediglich jeder 20. Arzt kommuniziert überwiegend via E-Mail. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Vernetzung, ein funktionierender, sicherer Datenaustausch und die digitale Dokumentation von Untersuchungsergebnissen sind“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Doch auch unabhängig von der Pandemie sind die Zeiten, in denen ein Patient ein Leben lang beim selben Hausarzt in Behandlung ist, vorbei. Die Menschen wechseln nicht nur Wohnorte, sondern auch Ärzte häufiger. Wenn Akten und Befunde in Papierform abgeheftet werden, sind Doppeluntersuchungen, Sicherheitsdefizite und der Verlust von Informationen vorprogrammiert.“ Umso wichtiger sei es, dass auch im Gesundheitswesen durchgängig digitale Prozesse eingeführt würden.
Mit Blick auf die Nutzergruppe der Versicherten und Patienten zeichnet sich ebenfalls ein Fortschritt ab: Jeder Dritte hätte laut einer McKinsey-Umfrage schon einmal einen Arzttermin online gebucht. Zwei von drei Deutschen begrüßten die Einführung von ePA und E-Rezept – selbst in der Generation 65 plus seien es mehr als 60 Prozent. Die Corona-Pandemie habe die Bereitschaft der Deutschen, digitale Gesundheitsangebote zu nutzen, zudem weiter erhöht. Eine Umfrage im August 2020 hat gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Befragten diesen Angeboten heute aufgeschlossener gegenüberstehen als vor der Krise. Die Einführung der „App auf Rezept“ und damit einhergehend die Vergütung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) werde den Studienautoren zufolge die Patientennachfrage nach elektronischen Gesundheitshilfen aller Voraussicht nach stimulieren.
Digitalisierungshürden: Komplexität, Sicherheit, Unwissen |
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Dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht schneller voranschreitet, hat vielfältige Gründe. In einer Bitkom-Befragung nennt die Mehrheit der Ärzte als eine der Hauptursachen die Komplexität des Gesundheitssystems. Da die Digitalisierung alle Bereiche dieses Systems betrifft, zeigen sich an dieser Stelle die Grenzen einer föderalen Struktur mit Selbstverwaltung. Oft scheitern Bemühungen an bürokratischen Hürden, wie sich am Beispiel des Krankenhauszukunftsgesetzes zeigt (siehe auch „Das KHZG zwischen Theorie und Praxis“). So ist es kaum verwunderlich, dass selbst das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) den Krankenhäusern empfiehlt, von Anfang an einen IT-Dienstleister in die Projektplanung einzubeziehen, da im Rahmen der Antragstellung verschiedene Nachweise zu erbringen sind. Das führt dazu, dass viele neue Berater auf den Gesundheitsmarkt drängen, deren Qualifikation nicht immer nachvollziehbar ist. Auf der anderen Seite fehlt es der IT in Krankenhäusern oft an entsprechendem Know-how; Stichwort Fachkräftemangel. Und wer ausreichend qualifiziert ist, hat schon jetzt kaum Zeit, um Projekte auf den Weg zu bringen – geschweige denn, den alltäglichen Betrieb zu gewährleisten. Drei Viertel der Befragten empfinden zudem den Aufwand für IT-Sicherheit und Datenschutz als zu hoch. So verspricht die elektronische Patientenakte (ePa) zum Beispiel größere Transparenz für alle Beteiligten. Genau darin sehen Klinik- wie Praxis-Ärzte aber auch die Gefahr des Datenmissbrauchs. Insbesondere Praxis-Ärzte fürchten hohe Investitionskosten, jeder zweite sieht auch eine schwierige Integration der ePa in den eigenen Behandlungsalltag. Als weiteren Digitalisierungs-Bremsklotz macht der Bitkom mangelndes Wissen auf beiden Seiten – sowohl Behandelnde als auch Behandelte – aus: Demnach stelle mehr als jeder zweite Arzt eine mangelnde Digitalkompetenz seiner Patienten fest. 43 Prozent sehen diesbezüglich bei den Ärzten selbst Nachholbedarf. Exemplarisch hierfür sind die bereits seit Oktober 2020 verfügbaren digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGAs. Ärzte können gegen zahlreiche Beschwerden Gesundheits-Anwendungen für das Smartphone oder Tablet verordnen. Rund ein Viertel der Ärzteschaft hat hier aber weiterhin großen Informationsbedarf: So weiß jeder zehnte Arzt nach eigenem Bekunden nicht einmal, was eine App auf Rezept im Detail ist. |