»Der Aufwand ist schon immens«
»Der Aufwand ist schon immens« Durch einige gerichtliche Klagen sind die Praktiken bei der Vergabe öffentlicher IT-Aufträge verstärkt in den Blick gekommen. Jürgen Höfling sprach mit Konrad Kandziora, Vorstand des öffentlich-rechtlich verfassten IT-Dienstleisters ITDZ Berlin, über Möglichkeiten und Tücken des öffentlichen Vergaberechts.

Herr Kandziora, öffentliche Aufträge, auch im IT-Bereich, unterliegen strengen Vergaberichtlinien. Sind diese nicht zu streng und damit letztlich für alle Beteiligten unökonomisch?
Durch das strenge Vergaberecht sollen die Bewerber ja vor der allzu großen Marktmacht der öffentlichen Hand geschützt werden. Aber Sie haben recht, der Aufwand ist schon immens.
Wie hoch?
Eine EU-weite Ausschreibung kostet das ITDZ Berlin im Durchschnitt 100000 Euro und auch bei den Bietern verursacht die Angebotserstellung hohe Kosten, die auf die Preise aufgeschlagen werden. Demgegenüber steht der Nutzen, dass ein Bieter, der ein Angebot im Wettbewerb abgibt, anders kalkuliert als einer, der weiß, dass nur mit ihm verhandelt wird.
Das Erstellen der Angebote ist nicht nur kostenintensiv, sondern auch wenig fehlertolerant. Schon eine versehentlich gesetzte Null statt eines »entfällt« kann meines Wissens zum Ausschluss führen, auch wenn das Angebot selbst sehr interessant ist. Können Sie das bestätigen?
Ja, leider. Es kann vorkommen, dass ein Angebot allein wegen fehlender Nachweise, Erklärungen oder Unterschriften ausgeschlossen werden muss, obwohl es inhaltlich und in Bezug auf Technik und Preis für die Vergabestelle attraktiv ist. Die Rechtsprechung lässt den Vergabestellen kaum noch Spielraum zum Nachfordern von Unterlagen oder Aufklären von Angebotsinhalten. Ein fehlendes Datenblatt kann bereits zum Ausschluss führen.
Kann man als Vergabestelle hierbei für die Bieter Erleichterungen schaffen?
Damit die Bieter bei der Angebotserstellung weniger Fehler machen, haben wir ein zwölfseitiges Merkblatt mit Informationen zur öffentlichen Auftragsvergabe des ITDZ Berlin herausgegeben. Es ist auf unserer Internetseite www.itdz-berlin.de unter dem Link Service/Ausschreibungen abrufbar.
Wie sollte Ihrer Meinung nach das Vergaberecht vereinfacht werden?
Es sollten unter anderem rechtliche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass mehrere Beschaffungen bei einer zentralen Stelle gebündelt werden können. Eine Beschaffung von 10000 PC ist schließlich nicht aufwändiger als eine von 1000 Rechnern. Hilfreich für Vergabestellen und Bieter wäre auch ein deutschlandweites Präqualifizierungsverfahren. Diese Möglichkeit, die die EU-Richtlinie bietet, ist bisher ebenso wenig in deutsches Vergaberecht umgesetzt wie die Möglichkeit von dynamischen Beschaffungssystemen.
Nun können nach gängiger Rechtssprechung IT-Dienstleister, die eindeutig unter der Kontrolle von öffentlichen Institutionen stehen, Aufträge auch ohne Ausschreibung vergeben, ich spreche von der so genannten Inhouse-Vergabe. Manche privaten Anbieter sehen darin die Gefahr von Dumping-Angeboten.
Das Vergaberecht schützt grundsätzlich vor Dumping-Angeboten, da auf Angebote, bei denen der Preis in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Leistung steht, nicht zugeschlagen werden darf. Auch die Tatsache, dass die öffentlichen IT-Dienstleister wie das ITDZ Berlin, keinerlei Zuschüsse erhalten, sondern sich aus ihrer Leistungserbringung finanzieren müssen, schützt Privatunternehmen vor Dumpingangeboten.
Andersherum macht die verschärfte Rechtsprechung darüber, wann ein Inhouse-Geschäft vorliegt, es den öffentlichen Stellen nicht gerade einfach, ihre IT-Dienstleister quasi Schritt für Schritt in den Wettbewerb zu überführen.
Das ist sicher eine schwierige Gratwanderung. Hier wäre es hilfreich, wenn der Gesetzgeber die Definition für öffentliche Aufträge überdenkt und sämtliche Kooperationen zwischen öffentlichen Auftraggebern vom Vergaberecht ausnimmt. Es muss möglich sein, dass eine Kommune die Berechnung der Bezüge ihrer Beamten einer anderen Kommune überträgt, ohne dass dies einer Ausschreibung bedarf.