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Die Notwendigkeit der Veränderung

10. August 2021, 6:30 Uhr | Diana Künstler
© Pixabay

Nachhaltigkeit ist weit mehr als ein Trend. Es ist Notwendigkeit. Das haben viele Tech-Konzerne bereits erkannt. Doch zwischen Ambition und Umsetzung klafft mitunter noch ein großes Loch.

Kaum ein Begriff wurde in jüngster Vergangenheit derart inflationär verwendet wie „Nachhaltigkeit“. Die Roadmaps vieler Konzerne aus dem ITK-Umfeld quellen nur so über vor Strategiebekundungen rund um dieses Thema. So verkündete Glasfasernetzbetreiber Tele Columbus, dass man bei der Realisierung der Nachhaltigkeitsziele für 2024 auf Kurs liege. Dazu gehören Vorhaben wie ein klimaneutraler Netzbetrieb und die Reduzierung des THG-Ausstoßes beim Fuhrpark um 30 Prozent pro Kilometer. Elektrotechnik-Konzern Schneider Electric gab jüngst seinen Aktionsplan bis 2025 bekannt, der unter anderem die Umstellung auf eine vollständig elektrische Firmenwagenflotte in Norwegen bis 2023 sowie die fünf-fache Erhöhung der Ausgaben bei einheimischen Lieferanten in Australien vorsieht. Und auch IT-Dienstleister q.beyond will bis zum Jahr 2025 klimaneutral sein.

Ambitionierte Ziele, die beispielhaft verdeutlichen: Nachhaltigkeit ist weit mehr als ein Trendthema. Für viele Unternehmen ist sie mittlerweile Notwendigkeit – und erfordert rasches Handeln. Rund 86 Prozent der deutschen Technologiekonzerne betrachten demnach Nachhaltigkeit mittlerweile als einen wichtigen Bestandteil ihrer Geschäftstätigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt die im Januar 2021 durchgeführte „Technology Sustainability Survey“ von Deloitte unter 173 Experten aus deutschen Tech-Unternehmen. So zumindest die Theorie beziehungsweise das, was nach außen kommuniziert wird. In der Praxis nehmen 67 Prozent der Befragten ebenso eine Diskrepanz zwischen Anspruch und tatsächlichem Engagement in ihrem Unternehmen wahr. In großen Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeitern werde das Umsetzungs-problem von 82 Prozent der Befragten und damit besonders stark wahrgenommen. Kein Wunder: Stecken sich diese Organisationen in der Regel doch auch besonders ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele. In kleineren Unternehmen mit oft bescheideneren Ambitionen klaffe die Schere weniger stark auseinander, wobei hier zugegebenermaßen auch oft Ressourcen und Kompetenzen fehlen, um Nachhaltigkeits-themen überhaupt erst voranzutreiben.

Können sich Nachhaltigkeit nur die Großen leisten?

Können sich also nur die Großen Nachhaltigkeit leisten? Mitnichten: Beispiele der Internetplattform „Kompass Nachhaltigkeit“ – einem Kooperationsprojekt von Engagement Global und der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des BMZ – zeigen, wie auch KMU soziale und ökologische Belange im öffentlichen Einkauf zu berücksichtigen wissen. Ob Konfektionär Bierbaum Proenen, der sich für faire Arbeitsbedingungen und Transparenz in der Lieferkette einsetzt, oder Tiefkühlproduzent Frosta, der seit 2003 konsequent auf Zusatzstoffe verzichtet – es finden sich zahlreiche Beispiele gelebter Nachhaltigkeit. Nur eben vielleicht in überschaubarerem Ausmaß, als es bei den Großen der Tech-Branche der Fall ist. Das tut dem Ganzen jedoch keinen Abbruch. Denn: „Jede Organisation hat passende Hebel, um Nachhaltigkeit voranzubringen – man muss sie nur betätigen“, unterstreicht Milan Sallaba, Partner und Leiter des Technology Sektors bei Deloitte.

Das erwähnte Umsetzungsproblem beim Thema Nachhaltigkeit ziehe sich trotzdem durch die ganze Branche. Angemerkt sei allerdings auch, dass erfahrungsgemäß die Anpassung eingefahrener Systeme und Routinen in Unternehmen häufig ein langwieriger und komplexer Prozess ist. Veränderung braucht eben Zeit. Und wenn möglich auch den richtigen Anstoß, will man wirklich etwas (auf Dauer) bewirken.

Das Richtige aus den falschen Gründen?

So hat die Deloitte-Umfrage auch ergeben, dass Nachhaltigkeit zwar von vielen Tech-Unternehmen vorangetrieben wird, dies jedoch – wie in anderen Branchen auch – derzeit noch vor allem aus wirtschaftlichem Nutzen heraus geschieht. 57 Prozent der befragten Experten nannten die Senkung von Betriebskosten als wesentlichen Treiber ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen. 47 Prozent erhoffen sich die Eroberung neuer Märkte und 42 Prozent reagieren auf die Nachfragen ihrer Kunden.

32 Prozent möchten die eigenen Mitarbeiter motivieren. Das Mindern von Klimarisiken (21 Prozent) und das intrinsische Engagement (6 Prozent) stehen hinten auf der Liste der Beweggründe. Und tatsächlich scheint sich diese Vorgehensweise zu bewähren. Nachhaltigkeitsinitiativen zahlen sich aus: 84 Prozent der Führungskräfte nehmen bereits heute positive Effekte ihrer Aktivitäten wahr. Überdurchschnittlich wirkungsvoll seien Initiativen im Bereich Software & Services.

Dass die Branche von Rohstoffen und Prozessen geprägt ist, die nicht besonders nachhaltig und in vielen Fällen auch noch schwer zu ersetzen sind, entpuppt sich in diesem Zusammenhang aber als besonderes Dilemma. Zieht dies doch häufig einen hohen Ressourcenverbrauch nach sich. Hier wird ein auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichteter Nachhaltigkeitsansatz nicht lange Bestand haben. Ein Umdenken im ganzheitlichen Rahmen ist gefragt: Weg von kritischen Rohstoffen, hin zu alternativen, „nachhaltigeren“ Lösungen. Das ist beileibe nichts, was sich von heute auf morgen lösen lässt. Doch erste Schritte in die richtige Richtung sind getan.


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