Im weiteren Verlauf des Programms erwarten die Teilnehmerinnen exklusive Exkursionen in die Partner-Unternehmen von Femtec und die Möglichkeit, direkte Kontakte zu knüpfen. Die mittlerweile 14 Unternehmen – ABB, Bosch, BP, BCG, Daimler, Telekom, Fraunhofer, Celonis, Evonik, Porsche, ZF, EnBW, P&G und Danaher – finanzieren das Programm zum größten Teil, weshalb es den Teilnehmerinnen als kostenfreies Stipendienangebot gemacht werden kann. Neuestes Partnerunternehmen ist seit Mai diesen Jahres Danaher. Das Unternehmen entwickelt, fertigt und vertreibt Produkte für den Einsatz in Medizin, Handel und Industrie. Danahers Antrieb zur Kooperation mit Femtec bestehe laut eigener Aussage vor allem in der Stärkung der Gleichberechtigung: Mit Stand 2019 seien 35 Prozent der Belegschaft weiblich gewesen. Das Ziel für 2025 sei eine Frauenquote von 40 Prozent. Fest verankert in der Danaher-Kultur sei zudem die Überzeugung, dass jede Frau in einer Führungsposition andere Mitarbeiterinnen dazu inspirieren könne, mehr Potenziale zu entdecken und die eigene Karriere größer zu denken.
Für Zeßner ist bei der Auswahl der Partner-Unternehmen ganz klar deren Gender-Diversity-Strategie entscheidend. „Hier geht es nicht allein um Recruiting“, so die Femtec-Chefin, „auch wenn uns klar ist, dass das natürlich mit hineinspielt“. Zwar habe man bereits ein breites Spektrum an Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen – wie Automobilbauer, -zulieferer, Energiedienstleister, Technologieunternehmen, Unternehmensberatung – aber auch hier wolle man von Femtec-Seite aus versuchen, sich künftig noch breiter aufzustellen. Parallel wird derzeit mit der Hochschul-Allianz HAWTech ein Programm entwickelt, das ab 2022 auch Studentinnen an Hochschulen der angewandten Wissenschaften angeboten werden soll.
Unabhängig davon befinden sich Teilnehmerinnen und auch Unternehmen im Rahmen des Programms in einer Win-win-Situation: „Für die Unternehmen ergeben sich auf diese Weise Schnittstellen, um mit den Frauen in Kontakt zu treten“, sagt Marion Zeßner. „Die Frauen sind ganz klar gefragt auf dem Arbeitsmarkt – allein schon durch ihr Studium und ihre sehr guten Leistungen zusätzlich zu den studienbegleitenden Qualifizierungen des Career-Building-Programms.“ Im Rahmen von Innovationswerkstätten erarbeiten die Frauen zudem im Team und gemeinsam mit den Femtec-Partnern aus Industrie, Forschung und Wissenschaft Lösungsansätze für die Herausforderungen von morgen. Somit erhalten Unternehmen neue Einsichten in ihre Kompetenzfelder. Den Teilnehmerinnen wiederum ergeben sich unter anderem durch direkte One-on-one-Matching-Gespräche konkrete Einstiegsmöglichkeiten, wie zum Beispiel ein Praktikum, eine Abschlussarbeit, ein Direkteinstieg oder eine Traineestelle. Die Innovationswerkstatt „war ein wahnsinnig kreatives Unterfangen“, erinnert sich Bianca Monzer. „Wir hatten vollkommen freie Hand, mit dem Thema – 5G für die Telekom – zu machen, was wir wollten. Das war cool, aber natürlich auch nicht ohne Druck. Wir haben geackert und durften unsere Idee am Ende der Telekom-Vorständin für Technologie & Innovation, Claudia Nemat, persönlich vorstellen.“ Eine Idee, die auf konventionelle Art und Weise so vielleicht nicht entstanden wäre, „denn wir waren unterschiedliche Frauen aus unterschiedlichen Fakultäten und Unis, die alle digital zusammengearbeitet haben“, so Monzer. Ein Punkt, der sich für sie zudem als sehr wertvolle Erfahrung herausstellte, war, dass sie innerhalb des Projekts eine technische Leitungsrolle eingenommen hatte, auf die sie in fast jedem Bewerbungsgespräch danach zurückgreifen konnte. „Das hat mir in meinem Bewerbungsprozess extrem geholfen, weil Fragen kamen wie: Haben Sie schon einmal Erfahrungen in einer leitenden Position gehabt? Und ich konnte mit Gewissheit sagen: Ja, habe ich. Und ja, da gab es Konflikte und Druck. Ich war bereits in einer echten Situation, wo ich Führungskompetenz beweisen musste.“
Auf die Frage, was unabhängig vom Femtec-Programm unternommen werden könne, um Frauen in MINT-Berufen zu fördern, sieht Marion Zeßner ganz klar das Thema Vorbilder als Dreh- und Angelpunkt. Von Femtec-Seite aus sei es daher wichtig, Role Models zu schaffen, die das Thema nach vorne treiben und an denen man sich orientieren könne. „Von daher freue ich mich über jede Alumna, die bei uns das Programm abgeschlossen hat – mittlerweile über 1.400. Jede für sich ist ein Role Model.“
Darüber hinaus sieht die Femtec-Chefin die Ausbildungsstätten in der Pflicht, einen höheren Praxisbezug zu bieten. Auch sei es wichtig, sinnstiftende Projekte zu geben – Stichwort Nachhaltigkeit. Nicht von ungefähr bestehe ein Großteil der Fridays-for-Future-Anhängerschaft aus jungen Aktivistinnen. Auch sei es wichtig, Spezialisierungen und Vertiefungen sowie Fächerkombinationen interdisziplinär zu ermöglichen. Punkte, mit denen auch Bianca Monzer konform geht. Die Stipendiatin ergänzt: „Ehrlich gesagt, freut es mich, dass mittlerweile so offen sagen zu können: Ich war noch nie besonders Technik-begeistert. Ich bin einfach jemand, der sich dafür interessiert, wie bestimmte Dinge funktionieren.“ Das sei speziell für Ingenieurinnen einfach eine gute Ausgangsbasis. „Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso wir so wenig Frauen in bestimmen MINT-Bereichen haben. Weil man denkt, als Ingenieurin müsse man an einem PC oder Auto herumgeschraubt haben.“ Doch das sei ein Trugschluss. So findet Monzer, dass auch Linguistinnen sich entscheiden können sollten, Ingenieurinnen zu werden – und umgekehrt. „Ich finde, da sollten wir hin.“
Aktuell arbeitet Monzer im Rahmen eines Management-Nachförderungsprogramms bei einem deutschen Automobilhersteller an einem Projekt, bei dem es darum geht, die Produktion CO2-neutral zu gestalten. Ihre Tätigkeit findet sie erfüllend: „Ich sehe Sinn in meiner Arbeit und erkenne, dass ich meinen kleinen Beitrag in einem größeren Kontext leisten kann. Und dabei muss ich als Ingenieurin nicht einmal an einer Maschine schrauben“, fügt sie augenzwinkernd hinzu. Interessant sei für sie vor allem auch die Tatsache, dass sich die Automobilindustrie selbst in einem umwälzenden Transformationsprozess befinde. Die klassischen Automobilbauer stünden vor der Herausforderung, sich von einem Hardware- zu einem Software-Anbieter entwickeln zu müssen. Ein Punkt, an dem die IT eine entscheidende Rolle einnehme – Stichwort Software-Updates over the Air (OTA) und Data Security. „Mich motiviert es sehr, ein Teil dieses Transformationsprozesses zu sein“, so Monzer. „Da muss noch sehr viel ‚IT-Wo(man)power‘ akquiriert werden.“