Im Planungsprozess fließen technische Spezifikationen (prEN/TS 17165) und Normen (DIN SPEC 5031-100, DIN SPEC 67600) oder DGUV-Informationen zum Arbeitsschutz ein, bis hin zur Verordnung für die „Beleuchtung von Arbeitsstätten“ (DIN EN 12464-1). Da HCL in seinem Selbstverständnis jedoch nicht nur einer bedarfsgerechten Linie folgt, sondern sich insbesondere in seiner Bedürfnisorientierung entfaltet, kommen auch Standards zur melanopischen Wirkung zum Einsatz und Empfehlungen werden berücksichtigt. Beispielsweise die Planungsempfehlung des „Design Guideline for Promoting Circadian Entrainment with Light for Day-Active People“. Über den Grundsatz der Erfüllung der Sehaufgabe oder die Wahrung von Energieeffizienz hinaus wird Architekten und Lichtplanern hier eine strukturelle Hilfestellung für visuelle, emotionale und biologische Aspekte an die Hand gegeben, die die Konzeptionierung auch entlang nicht-visueller Aspekte in Abstimmung auf den circadianen Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen ermöglichen soll. Ziel ist es, mit der Beleuchtungsanlage positiv auf die nicht-visuellen Befindlichkeiten des Menschen hinzuwirken, ohne dabei visuelle, ergonomische Aspekte zu vernachlässigen. Auf Basis der Wirkweisen von intrinsisch photosensitiven Ganglienzellen sowie Stäbchen und Zapfen wird aus dem Spektrum der Lichtquelle und der Beleuchtungsstärke am Auge der circadiane Stimulus (CS) des Menschen berechnet. Dabei kommen herkömmliche Lichtberechnungsprogramme wie „Dialux“ oder „Relux“ zum Einsatz, um die passende Lichtfarbe in Kelvin und auch der Farbwiedergabeindex zu berechnen. Entscheidend ist nicht die horizontale Komponente, die in der Rege zur Erfüllung der Sehaufgabe herangezogen wird, sondern auch die vertikale Beleuchtungsstärke.
HCL-Anwendungsfelder
Der im HCL-Planungsprozess berechnete zirkadiane Stimulus wird „als Maß für die Unterdrückung der Melatonin-Synthese verstanden. Minimalziel sollte sein, dass eine Lichtexposition mit einem CS von mindestens 0,3 für zwei Stunden täglich, bevorzugt in den Morgenstunden, erreicht wird“, so Laschefski und Lilien. Das errechnete künstliche Licht kann dann insbesondere bei längerer Aufenthaltsdauer in Innenräumen zum Beispiel einer frühzeitigen Ermüdung und Konzentrationsschwäche entgegenwirken, motivieren oder am Abend entspannen und auf den Schlaf vorbereiten. Doch was steckt dahinter? Warum hat die Lichteinstellung so viel Macht über den Organismus?
Ergebnisse des EU-Projekts „SSL-erate“ zu HCL-Anwendungsfeldern deuten auf vielerlei Mechanismen hin, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern. Entscheidend für diesen sogenannten circadianen Rhythmus des Menschen ist der Lichteinfluss auf den Hormonaushalt im Körper. Das sehr helle tagesweiße Licht bis zum Mittag regt vor allem die Produktion des aktivierenden und vitalisierenden Botenstoffs Serotonin an, während am Abend mit abnehmender Helligkeit und zunehmend warmen Lichtanteilen die erhöhte Konzentration von Melatonin im Blut für Entspannung und einen gesunden Schlaf sorgt. Ist der Körper also am Tag damit beschäftigt, den Organismus mit unter anderem stimmungsaufhellenden Glückshormonen und aktivierenden Hormonen wie Cortisol, Dopamin und Adrenalin zu versorgen, gelingt es ihm, eine ausreichende Resistenz für herausfordernde Alltagsaufgaben aufzubauen. Verringert sich diese Konzentration aktivierender Hormone bei abnehmendem Blauanteil und verringerter Helligkeit sowie Lichtstärke, dann rüstet sich das Schlafhormon Melatonin für die Aufgabe, den Regenerationsprozess im Ruhezustand voranzutreiben.