Seit einem Jahr sind viele Belegschaften weltweit fast ausschließlich im Homeoffice. Dies hat Auswirkungen auf Arbeitsweisen und -abläufe, aber auch auf Mobilität und das Klima. Die Frage taucht auf, wie viel davon bleibt und wie der Wandel zu einer neuen Arbeitskultur gelingen kann.
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind Millionen Berufstätige ins Homeoffice gewechselt – und bis heute nicht wieder in die Büros zurückgekehrt. Aktuell arbeitet jeder Vierte (25 Prozent) ausschließlich im Homeoffice. Das entspricht 10,5 Millionen Berufstätigen. Auf weitere 20 Prozent (8,3 Millionen) trifft das zumindest teilweise zu, das heißt, sie sind nicht an allen Arbeitstagen im Homeoffice. Damit arbeitet insgesamt fast jeder Zweite (45 Prozent) zumindest teilweise im Homeoffice, wie eine aktuelle Bitkom-Studie ergab.
Die Corona-Pandemie ist der Auslöser eines tiefgreifenden und nachhaltigen Wandels der Arbeitswelt. Nach dem für die allermeisten erzwungenen Wechsel ins Homeoffice im Frühjahr 2020 hat die Mehrheit in den vergangenen Monaten überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass flexibles Arbeiten die Qualität der Arbeitsergebnisse nicht schmälert – im Gegenteil. Wer im Homeoffice arbeitet, schätzt seine Arbeit im Vergleich zum Büro als produktiver ein und ist zufriedener mit den Ergebnissen. Unabhängig von Zeit und Ort zu arbeiten, kann allen Seiten Vorteile bringen, was aber einen tiefgreifenden Kulturwandel in der Arbeitswelt voraussetzt.
Auch nach Ende der Corona-Pandemie werden sehr viel mehr Menschen im Homeoffice arbeiten als zuvor. Nach Bitkom-Berechnungen wird mehr als jeder Dritte (35 Prozent) den Arbeitsort flexibel wählen. Das entspricht 14,7 Millionen Berufstätigen. 3,2 Millionen (acht Prozent) werden ausschließlich im Homeoffice arbeiten, weitere 11,5 Millionen (27 Prozent) teilweise. Vor der Pandemie war Homeoffice eher die Ausnahme. Lediglich drei Prozent der Berufstätigen (1,4 Millionen) arbeiteten ausschließlich im Homeoffice, weitere 15 Prozent (6,3 Millionen) teilweise.
Arbeitgeber, die Homeoffice kategorisch ausschließen, werden für Mitarbeiter und Bewerber zunehmend unattraktiv. In einigen Unternehmen scheint weiterhin eine starke Präsenzkultur vorzuherrschen. Das ist nicht nur anachronistisch, sondern in der aktuellen Pandemiesituation auch unverantwortlich. Auch nach der Pandemie wird es noch Präsenzarbeit geben, aber wann, wo und wie gearbeitet wird, wird deutlich flexibler gehandhabt werden als vor Corona. Eine der größten Herausforderungen für die Arbeit im Homeoffice ist die Abgrenzung von Beruflichem und Privatem, wie viele Berufstätige feststellen. Hierbei helfen klare Regeln und Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Im vergangenen Jahr hat sich unser Leben in vielen Bereichen so rasant gewandelt wie sonst nur in einem ganzen Jahrzehnt – das gilt vor allem für die Arbeitswelt. Nach dem Corona-Schock haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in überwiegenden Teilen auf diese zunächst herausfordernde Situation eingestellt. Flexibles Arbeiten wird mehr und mehr zur neuen Normalität. Jetzt muss es darum gehen, die gesamtgesellschaftlichen Vorteile in den Vordergrund zu rücken, wie weniger Verkehr und Staus, weniger Unfälle und Verkehrstote und nicht zuletzt weniger umweltschädliche Emissionen. Homeoffice leistet einen ganz entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz. Je mehr Homeoffice, desto besser für das Klima.
Der Wandel der Arbeitswelt muss nun politisch proaktiv flankiert und mit Anreizsystemen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstützt werden. Wer im Homeoffice arbeitet, wird steuerlich gegenüber Pendlern benachteiligt. Nur die wenigsten können ein Arbeitszimmer absetzen. Der Staat sollte fiskalische Instrumente bestmöglich einsetzen, um gesellschaftlich erwünschtes Verhalten anzuregen, also Verkehr zu reduzieren, verkehrsbedingte Emissionen zurückzufahren und – in Zeiten der Pandemie – soziale Kontakte zu vermeiden.
Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom