40 Jahren Karriere im Channel

Manager und Mensch: Michael Dressen

7. Juli 2022, 13:42 Uhr | Martin Fryba

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

„Nazis hatten Karteikarten“

ICT CHANNEL
Politik, soziale Frage, Klimaschutz, Gleichbehandlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Die großen Fragen beschäftigen Dressen schon immer.
© ICT CHANNEL

Er möchte nicht tauschen mit einem „System, wo einer auf den Knopf drückt“. So unrealistisch man dieses Szenario hierzulande vor Jahren hielt, so bedrückend aktuell bestimmt es das gegenwärtige Weltgeschehen. Der Cyber-Krieg mit digitalen Waffen wird in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft im virtuellen Raum schon lange ausgetragen. Nun ist der Krieg in Europa auch physisch sichtbar und wird ebenfalls mit Hilfe von Hochtechnologie geführt. Macht Technologie den autokratischen Aggressions- und Überwachungsstaat nicht erst möglich? Dressen will dem so nicht zustimmen. „Nazis haben schließlich alles mit Karteikarten gemacht“, sagt er.

Alles seinen Lauf lassen und platten Hoffnungen das Wort reden, als ob sich die großen Fragen der Zeit wie soziale Gerechtigkeit mit wachsendem Wohlstand schon irgendwie einstellen würden oder spätere Generationen mit neuen Technologien den Schutz der Umwelt schon werden in die Wege leiten können, widerspricht er freilich. „Beim Klimawandel reden wir über Folgen, die jetzt schon eintreten und sich erst recht in 20 Jahren dramatisch auswirken werden, aber heute entschieden werden“. Die großen Fragen des 21. Jahrhunderts wird kein Einzelner lösen können, aber da, wo einem Einzelnen Macht gegeben ist, die Dinge zu verändern, braucht sich Manager Dressen den Vorwurf der Untätigkeit nicht vorhalten zu lassen. „Alle Mitarbeiter im Unternehmen gleich zu behandeln, unabhängig vom Geschlecht, der Hautfarbe oder sexueller Orientierung, ist für mich ein Maßstab“.

Stimmung im Keller, dann kommt Dressen zu Tech Data
Diesen Maßstab wird Dressen in Folge nicht mehr ablegen. 2012 ist sein Sanierer-Handwerk anfangs bei Tech Data dringend gefragt. Es brennt beim Münchner Broadliner an vielen Ecken, eine Armada erfolgloser Deutschlands-Chefs kann nicht löschen. Die Verluste summieren sich, bis Dressen übernimmt. Das Kapitel seiner zehn Berufsjahre dort wird die Überschrift tragen: „Endlich Ruhe und Stabilität bei Tech Data Deutschland“.

Vor Dressen gibt es an der Spitze des Broadliners hierzulande so viele Wechsel, dass es nicht lohnt, sich die vielen Namen der CEOs zu merken, die kommen und gehen. Keiner der vielen Managerinnen und Manager vor Dressen konnte den Broadliner zurück in die Erfolgsspur und Gewinnzone führen. Dressen sagt freilich nicht, woran seine vielen Vorgänger gescheitert sind, sondern nur: „In allen Bereichen, Volume und Value, gab es Herausforderungen. Die Stimmung war im Keller“.

Alte Zöpfe abgeschnitten
Was Dressen anders als seine vielen Vorgänger macht: Er schneidet liebgewonnene, aber alte Zöpfe ab, wie die große Hausmesse Tech Data Forum, die nach der 22. Ausgabe 2012 eingestellt wird. Ingram Micro wird diesen alten Zopf erst ein paar Jahre später abschneiden, während der dritte Broadliner, Also,  mit seiner CTV noch nicht so recht weiß, wie das Format nach der Pandemie weitergehen soll. Ein Messefreund ist Dressen ohnehin nie gewesen, dafür etabliert er den Tech Data Kongress, der als eigenes Format Zukunftsthemen behandelt. 2013 und somit früher als alle anderen Broadliner wird auf dem Kongress Big Data und damit die Datenökonomie diskutiert. Weg von einer produktlastigen Hausmesse, hin zu einer stärker für IT-Dienstleister konzipierten Netzwerkveranstaltung, auf der auch neue Geschäftsmodelle zur Sprache kommen.

IBM als einer der Hauptsponsoren treibt mit der KI-Engine Watson das Thema auf dem TD-Kongress an. Dass Big Blue die eigene Transformation über viele Jahre mit Umsatzrückgang so schmerzt und IBM von Hyperscalern abgehängt wird, konnte vor einer Dekade kein Broadline-Chef ahnen. „Von den IT-Traditionskonzernen gehören nur Microsoft und Apple zu den Gewinnern der digitalen Transformation“, sagt Dressen. Der Blick auf die Börsenwerte der beiden US-Konzerne unterstreicht dies. Der Vorteil eines Broadliners, der Distribution überhaupt: Man führt Hunderte von Herstellern im Portfolio, macht sich auch dann nicht abhängig, wenn ein so großer Hersteller wie IBM Schwächen zeigt.

Was bleibt, wenn 40 Jahre Manager-Erfahrung geht
Vendor-Management ist das eine, der Blick für wenig lohnenden Kunden das andere. Auch hier zieht Dressen die Reißleine und verabschiedet sich von Herstellern im Consumer-Geschäft. Vor allem aber die Übernahme von Avnet 2016 wird die VAD-Sparte Azlan von Tech Data massiv stärken. Vergleichsweise „ruhig“ dagegen läuft die Übernahme von Synnex in Dressens Regionen. Der US-Distributor hat schließlich kein Geschäft in Europa, es gibt nichts mehr zu sanieren für den gar nicht so knallharten Sanierer Dressen, zu dessen Jobverständnis es nun einmal gehört, ein gesundes Unternehmen zu leiten und eine Firmenkultur zu etablieren und vorzuleben, die über die Zeit hinaus noch länger wird tragen können.

Michael Dressen hat seinen Beitrag dazu geleistet. Mit 66 Jahren ist, wenn er denn vielleicht doch noch als Berater gefragt werden sollte, noch lang noch nicht Schluss.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

Manager und Mensch: Michael Dressen

Alle Bilder anzeigen (7)


  1. Manager und Mensch: Michael Dressen
  2. „Nazis hatten Karteikarten“

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu TD Synnex

Weitere Artikel zu RZ-Dienstleistung

Weitere Artikel zu Branchenlösungen

Matchmaker+