Welche Rolle der IT und Daten beim Thema Nachhaltigkeit zukommt.
Die EU hat die weitreichendsten Vorschriften für nachhaltiges Wirtschaften weltweit eingeführt. Seit März 2021 gilt mit dem Lieferkettensorgfaltspflichengesetz (LkSG)1 eine Verordnung, die Offenlegungspflichten für den Umgang mit Nachhaltigkeitspflichten definiert. Zum Jahreswechsel 2021/22 ist die EU-Taxonomie-Verordnung2in Kraft getreten. Und ab dem Geschäftsjahr 2023 müssen Unternehmen erstmals neben dem Finanzreport ein ESG-Reporting erstellen. Aus ökologischer Sicht sind diese regulatorischen Vorgaben richtig. Doch stellen Berichtspflichten Unternehmen vor große Herausforderungen. Es genügt nicht mehr, Umweltthemen in perfekt gelayouteten Marketing-Broschüren möglichst gut zu verkaufen. Unternehmen müssen jetzt Nachweise erbringen, welche Nachhaltigkeitsstrategien sie wie umgesetzt haben und wie sich dies konkret auf den Ressourcenverbrauch oder den Einsatz umweltgefährdender Produkte auswirkt. Dafür braucht es Daten, die sich unter anderem zu den geforderten KPIs verdichten lassen.
Doch woher die Daten nehmen? Noch müssen sich Unternehmen diese für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mühsam zusammensuchen. Oder noch schwieriger: Es sind keine vorhanden, da relevante Daten nicht erfasst werden. Selbst am Kapitalmarkt notierte Unternehmen, die seit 2017 nichtfinanzielle Informationen bereitstellen, tun sich schwer mit Informationen. Die Kritik: viel Prosa, wenig Konkretes.
Der Finanzmarkt drückt aber aufs Tempo. Investoren brauchen anfassbare Informationen. Daher rückt die IT in puncto ökologischem Nachhaltigkeits-Reporting derzeit in den Fokus. Ihr kommt dabei eine Mehrfachrolle zu: Für das ESG-Reporting brauchen Unternehmen Software. Anbieter wie Microsoft, SAP oder ServiceNow rüsten daher ihre Lösungen mit ESG-Modulen auf. Die IT muss aber auch neue Lösungen bereitstellen, mit denen sich die geforderten nichtfinanziellen Daten erfassen lassen. Zudem kann sie selbst dazu beitragen, das Unternehmen nachhaltiger wirtschaften und agieren. Und nicht zuletzt entwickelt sich durch die zunehmende Digitalisierung die IT selbst immer mehr zu einem wesentlichen Faktor des Ressourcenverbrauchs. Dies zeigt sich am Beispiel Thema Cloud-Computing. Noch stehen bei der Entscheidung für einen Umstieg auf Cloud-Services finanzielle Aspekte im Vordergrund. Dass Rechenzentren aber inzwischen enorme Stromverbraucher sind, spielte – bisher – eine untergeordnete Rolle. Dies ändert sich derzeit massiv. Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl von IT- und Cloud-Anbietern rücken nach oben. Auch Cloud-Services an sich können technisch und fachlich die Nachhaltigkeitsbestrebungen von Unternehmen fördern.
Zwar wird sich der Strombedarf der Rechenzentren weltweit deutlich erhöhen. Doch der Energieverbrauch der Cloud-Rechenzentren ist bezogen auf die Rechenleistung oft deutlich geringer als die der selbst betriebenen Rechenzentren. Effizienter Betrieb und hohe Auslastungsraten helfen dabei. Studien zeigen zudem, dass deren Stromverbrauch in der zurückliegenden Dekade nur um sechs Prozent gestiegen ist. Die Rechenleistung ist jedoch um das Sechsfache gewachsen.
Der Energieverbrauch der IT wird jedoch in Zukunft eine noch größere Rolle in der Ökobilanz der Unternehmen einnehmen, da der Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten deutlich zunehmen wird. Die französische Denkfabrik Shift Project hat ausgerechnet3, dass Digitalisierung den Stromverbrauch der IT bis 2025 im Vergleich zu 2017 fast verdoppeln wird. Die Cloud-Betreiber reagieren. Microsoft beispielsweise will die Energiebilanz seiner Datacenter nicht nur gegen Null drücken, sondern ins Positive zu drehen. Das Rechenzentrum wird zum Kraftwerk.
Unternehmen sollten die Reporting-Auflagen aber auch nicht nur von der Aufwandsseite betrachten. In der Beschaffung und Erfassung von zusätzlichen Daten stecken Chancen. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu verbessern, indem sie den digitalen Arbeitsplatz modernisiert, Geschäftsprozesse optimiert oder den Einsatz von Rohstoffen verringert. Stichworte hier sind Modern Work, IoT, Automatisierung oder KI in der Produktion. Dem Motto von Peter Drucker folgend „if you can’t measure it, you can’t improve it“ machen sie nicht nur transparent, wo und wie sich nachhaltiger wirtschaften lässt. Die Daten helfen auch, Hebel zu finden, die Energiekosten sowie CO2- oder auch Papierverbrauch zu senken.
Die Zeit wird knapp. Wer seiner Reporting-Pflicht mit konkreten Daten nachkommen will, muss zusammen mit den Fachbereichen und der IT Aktionsfelder für die Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten mit heute vorhandenen IT-Technologien identifizieren. Auf Basis der erfassten Daten lassen sich dann weitere Ansatzpunkte für nachhaltigeres Wirtschaften finden.
1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/das-gesetz-ueber-die-unternehmerischen-sorgfaltspflichten-im-lieferketten-lksg-1993338
2 https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/sustainable-finance-taxonomy-complementary-climate-delegated-act-factsheet_en.pdf
3 https://theshiftproject.org/wp-content/uploads/2019/03/Lean-ICT-Report_The-Shift-Project_2019.pdf