Nur aufgeschoben, nicht aufgehoben
Käfer von VW haben Kultstatus. Gewiss sind sie aber nicht mehr technologisch auf der Höhe der Zeit. Nicht alle stört das. Wird der Fahrer ständig von Lkw auf der Autobahn überholt, ist wahrscheinlich ein Wechsel fällig.


Ein 3er-BMW, ein Audi A4 oder eine C-Klasse von Mercedes wäre sicher eine angemessene Wahl. Autofahrer haben es gut. Sie bestellen einfach ihr Gefährt. Unternehmen haben es nicht so einfach. Auch sie haben oftmals eine enge Bindung zu ihrer TK-Anlage: Langfristige Verträge sind hier aber der Grund. Aber auch hier kommt irgendwann der Zeitpunkt zum Wechsel auf eine IP-Telefonie-Anlage. Aber die Firma kann nicht einfach zum Händler kommen und mit dem neuen System wieder gehen. Bildlich gesprochen, müssen sie ihren VW-Käfer während der Fahrt in einen BMW oder sonstiges Wunschmodell umbauen.
Das Bild ist ein wenig drastisch. Doch kein Betrieb kann es sich leisten, telefonisch nicht erreichbar zu sein. Diese Fragen der Umstellung werden im nächsten Jahr sicher viele beschäftigen und eventuell davon abhalten. Probleme sind hier etwa fehlendes Know-how über IP-Telefonie oder Spannungen zwischen den IT- und den TK-Leuten. Der Deutsche Verband für Telekommunikation und Post (DVPT) hat aktuell eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt. Die Studie nennt als Hemmnisse für eine stärkere Integration von Sprache und Daten eine nicht ausreichende Netzinfrastruktur (20 Prozent). Dazu kommen steigende Sicherheitsanforderungen (20 Prozent) oder der Preis mit 16 Prozent. Dabei liefen bei 21 Prozent der Teilnehmer Telefonie und Daten bereits vollständig über ein Netz, bei 41 Prozent nur zum Teil.
Nun könnten Unternehmen aus der Not eine Tugend machen und ihren VW-Käfer weiter fahren. Schließlich gibt es mit ISDN ein gutes Telefonnetz. Dagegen spricht einmal, dass die Telekom bestrebt ist, mittel- bis langfristig ihr Netz komplett auf IP umzustellen. Weiter sind es die Kosten, die motivieren umzusteigen. Mit der IP-Telefonie fällt ein zusätzliches TK-Netz weg. Oder es lässt sich ein Mix verschiedener TK-Anlagen in Filialen konsolidieren. Mit IP-Telefonie muss ein Unternehmen die Anlage nicht mehr selbst betreiben: Es entstehen derzeit Managed-Services. Das System kann aber auch beim Betreiber stehen: Hosted-PBX. Oder es gibt stark standardisierte Telefonie-Dienstleistungen als IP-Centrex-Installationen. Unternehmen müssen aber erst einmal mit diesen Möglichkeiten vertraut werden. Hier wird es 2008 sicher weitere Angebote geben.
Weiter ist die Flexibilität deutlich höher. Mitarbeiter können einfacher umziehen. Es ist ein Trend zur Mobilisierung der Nutzer zu sehen. Sie arbeiten etwa vermehrt in Home-Offices oder sind bei Kunden unterwegs. IP-Telefonie bindet diese Nutzer nahtlos an ihrem Arbeitsplatz zu Hause ein. Im Zuge der Unified-Commonications-Strategie (UC) entwickeln IT-TK-Hersteller spezielle Clients für Handys und Smartphones, um diese als vollständige Nebenstellen einzubinden. One-Number- oder One-Mailbox-Konzepte lassen sich so verwirklichen. Hinter UC steht die Idee, dem Anwender die Kommunikationswege zur Verfügung zu stellen, mit denen er den Gesprächspartner am besten erreicht. Dies können etwa E-Mail, Instant-Messaging (IM) oder Telefonie sein. Fixed-Mobile-Convergence bringt in diesem Rahmen Mobilfunk, Wireless-LAN und drahtgebundene Telefonie zusammen. Auch erleichtert IP-Telefonie die Einbindung weiterer Applikationen wie CRM oder ERP. Außerdem gibt es IP-Telefonie-Systeme, die ihre Funktionen als Web-Services anbieten. Dies erleichtert es, Business-Anwendungen im Rahmen einer Service-Orientied-Architecture (SOA) zu entwickeln. IBM und Nortel arbeiten dafür zusammen.
Druck zu einem Wechsel bekommen Unternehmen noch von einer ganz anderen Seite: von ihren Mitarbeitern. Die setzen nämlich neue Applikationen einfach ein. Skype, Video, Chat, IM oder Google-Applikationen sind hier ein paar Beispiele. Außerdem wachsen allmählich Technik-affine Generationen ins Berufsleben hinein, die mit IP-Technogien ganz anders umgehen.
Hier ist es auch spannend, inwieweit Video auf dem Desktop Einzug hält. Laptops kommen vermehrt mit eingebauter Webcam. Skype ermöglicht jetzt hochauflösende Video-Telefonie. Im Gegensatz zur IP-Telefonie ist es aber keine strategische Applikation. Es fällt Unternehmen also leichter, hier etwas auszuprobieren. Allerdings müssen Firmen sich darauf vorbereiten. Video auf dem Desktop erfordert ganz andere Bandbreiten. Und es gibt kein Netz, das per se Video-ready ist. Das hängt immer von der Benutzeranzahl ab.
Microsoft hat im November nun offiziell ihren »Office Communication Server« (OCS) vorgestellt. Von verschiedensten TK-Herstellern gibt es Gateways, um den OCS an die eigenen Systeme anzubinden. Microsoft hat den Vorteil, dass sie durch ihre Vormachtstellung auf dem Desktop dort ihren »Office Communicator« platzieren kann. Aber auch hier wird die Veränderung nur allmählich kommen und die erste Version des OCS sicher nicht die letzte sein.