Interview mit der Fachdienstleitung Schul-IT und Einrichtungen im Wetteraukreis
- Open Source: Praxisbeispiele an Schulen
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- Interview mit der Fachdienstleitung Schul-IT und Einrichtungen im Wetteraukreis
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connect professional: Bitte skizzieren Sie eingangs kurz Ihr Projekt mit Univention: Was war der Anlass, welche konkreten Ziele verfolg(t)en Sie, und in welchem Stadium befindet sich die Umsetzung derzeit?
Katja Müller-Lind: Unsere Ausgangslage im Wetteraukreis waren benutzerlose Systeme mit lokaler Datenablage – das war mittlerweile weder datenschutzkonform noch für unser wachsendes Sicherheitskonzept praktikabel. Mit der stetig steigenden Zahl an Geräten wurde klar: Wir brauchen eine Lösung, die persönliche Anmeldungen ermöglicht, zentral verwaltet wird und sich effizient aus der Ferne steuern lässt. Genau das haben wir mit UCS@school umgesetzt. Heute sind über 43.000 Schüler:innen und 4.200 Lehrkräfte im Identitätsmanagement erfasst, wir betreiben eine georedundante Cloud-Instanz mit acht UCS@school-Servern und stellen über 450 Anwendungen zentral bereit. Damit haben wir eine Infrastruktur geschaffen, die verlässlich funktioniert und den digitalen Unterricht wirklich unterstützt.
connect professional: Was waren die ausschlaggebenden Gründe für Ihre Entscheidung zugunsten einer souveränen IT-Infrastruktur mit Open-Source-Lösungen als wichtige Säule zu etablieren und wie wurde dieser Kurs organisatorisch verankert?
Müller-Lind: Standardlösungen aus der Wirtschaft passten für uns nicht – sie scheitern oft an den besonderen Anforderungen von Schulen, gerade beim Kinder- und Jugendschutz. Unser Ziel war eine Infrastruktur, die datenschutzkonform ist, sich zentral steuern lässt und gleichzeitig den Unterricht erleichtert. Open-Source-Lösungen bieten uns dafür die nötige Flexibilität und Unabhängigkeit. Organisatorisch haben wir das Thema klar beim Schulträger verankert, mit einem 17-köpfigen IT-Team und festen Strukturen zur Zusammenarbeit mit einem langjährigen, externen Dienstleister.
connect professional: Welche spezifischen Herausforderungen mussten Sie bei der Umstellung Ihrer Schul-IT meistern?
Müller-Lind: In einem großen Flächenlandkreis wie der Wetteraukreis einer ist, ist Schul-IT eine besondere Herausforderung. 86 Schulen sind auf ca. 90 Standorte in rund 400 Gebäuden verteilt – mit langen Wegen und sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Vor-Ort-Lösungen reichen da nicht, wir mussten alles so aufbauen, dass tausende Geräte zentral aus der Ferne betreut werden können.
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connect professional: Wie treffen Sie die Entscheidung, ob Komponenten lokal (On-Prem), in einer Cloud oder hybrid betrieben werden sollen? Gibt es technische oder politische Leitplanken?
Müller-Lind: Wir fahren bewusst zweigleisig. Zentrale Aufgaben wie Identitätsmanagement, Cloud-Speicher oder die Anbindung von Office und Nextcloud liegen im Rechenzentrum unseres Dienstleisters. Gleichzeitig gibt es an den Schulen kleinere lokale Server – etwa für spezielle Anwendungen wie Bibliotheks-Datenbanken oder um Anmeldeereignisse zu verarbeiten. Diese Balance zwischen zentralem Betrieb und gezielten On-Prem-Komponenten hat sich bewährt: Wir bleiben effizient, ohne die Flexibilität vor Ort zu verlieren.
connect professional: Wie haben Sie die Schulen, Lehrkräfte und Schüler:innen in den Transformationsprozess eingebunden? Gab es anfängliche Widerstände?
Müller-Lind: Natürlich gab es am Anfang Skepsis – gerade wenn gewohnte Abläufe durch neue Technik ersetzt werden. Zu einem durchlaufenden Seminarangebot über unser Medienzentrum, setzen wir vier sogenannte Digitalisierungsbeauftragte ein, die direkt in die Schulen gehen und im Unterricht oder im Lehrerzimmer unterstützen. Über unser Ticketsystem können Lehrkräfte zudem unkompliziert pädagogische Fragen melden.
connect professional: Welche Rolle spielen zentrale Dienste wie Identitätsmanagement, MDM und Single Sign-on konkret im Schulalltag und bei Ihnen als Schulträger? Und wie gehen Sie mit zunehmender Komplexität um?
Müller-Lind: Das Identitätsmanagement ist bei uns das Rückgrat der Schul-IT. Darüber verwalten wir alle Schüler:innen und Lehrkräfte schulübergreifend – automatisch, durchgängig und ohne manuelle Pflege. Single Sign-on sorgt dafür, dass die meisten Systeme mit einem einzigen Login erreichbar sind. Das ist für die Benutzenden besonders komfortabel und sorgt für weniger Administrationsaufwand auf Seiten der Lehrkräfte und der Administrierenden. Und beim Mobile Device Management, insbesondere für die iPads, setzen wir auf die Softwarelösung Relution, die ebenfalls Benutzer-Informationen aus dem zentralen IAM bekommt: So können wir die Geräte effizient, sicher und datenschutzkonform verwalten. Die sichere Ablage von Arbeitsergebnissen auf zentralen Servern sowie der Zugriff auf schulische Dateifreigaben sind problemlos möglich.
connect professional: Wie gelingt es Ihnen, externe Plattformen (z. B. Lernsoftware, Office-Anwendungen) datenschutzkonform und nahtlos anzubinden?
Müller-Lind: Für die Anbindung von Microsoft Office 365 haben wir eine elegante Lösung gefunden: Alle rund 45.000 Lizenzen sind lokal installiert, die Anmeldung läuft pseudonymisiert über UCS@school. Damit gehen keine Klarnamen an Microsoft – ein Modell, mit dem auch der Landesdatenschutz einverstanden ist. Für Lernsoftware und Cloud-Anwendungen setzen wir ebenfalls auf zentrale Anbindung und klare Vorgaben, damit Datenschutz und Nutzbarkeit gleichermaßen gewährleistet sind.
connect professional: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit Ihrer Lösung gemacht – insbesondere bei größeren Rollouts oder in heterogenen Schulumgebungen?
Müller-Lind: Unsere gesamte Umgebung ist virtualisiert – vom Rechenzentrum bis zum Schulserver. Tägliche Sicherungen und eine zentrale Überwachung sorgen dafür, dass wir bei Störungen schnell reagieren können. Gleichzeitig ist das System so skalierbar, dass auch große Rollouts funktionieren. Ein Beispiel sind die über 6.500 iPads des Schulträgers, die wir über das MDM standardisiert einrichten und zentral steuern können.
connect professional: Inwiefern konnten Sie durch Ihre Lösung pädagogische Konzepte besser umsetzen oder digitalen Unterricht vereinfachen?
Müller-Lind: Für die Schulen macht es einen großen Unterschied, dass sich Lehrkräfte und Schüler:innen überall im Kreis mit ihren persönlichen Zugangsdaten anmelden können – egal, ob am PC, am iPad oder an der Tafel. Geräte wie iPads oder Notebooks können sich genauso flexibel zwischen Schulstandorten bewegen wie ihre Anwender:innen. Das erleichtert den Unterricht enorm, weil Material, Einstellungen und Apps überall verfügbar sind. So bleibt mehr Zeit für Inhalte, und die Technik läuft im Hintergrund einfach mit.
connect professional: Welche Anforderungen stellen Sie an neue Anwendungen oder Fachverfahren, damit diese sich technisch nahtlos und zukunftssicher in Ihre bestehende Infrastruktur integrieren lassen?
Müller-Lind: Neue Anwendungen sollten sich an unser zentrales Identitätsmanagement mit UCS@school anbinden lassen. Nur so können wir Benutzer automatisch verwalten und Single Sign-on ermöglichen. Wichtig ist auch, dass Schnittstellen offen sind und die Systeme mitwachsen können – egal, ob bei zusätzlichen Schulen, mehr Geräten oder neuen Anforderungen.
connect professional: Wie schätzen Sie die langfristige Wirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit Ihrer Lösung im Vergleich zu proprietären Alternativen ein – auch mit Blick auf Betrieb, Lizenzkosten und Support?
Müller-Lind: Für uns ist entscheidend, dass wir mit unserer Lösung planbare Kosten haben und nicht von steigenden Lizenzgebühren abhängig sind. Wir können die Infrastruktur flexibel anpassen – sei es für neue Schulen, Anwendungen oder geänderte Anforderungen – ohne jedes Mal in teure Sonderlösungen investieren zu müssen. Der Betrieb liegt in enger Kooperation zwischen unserem eigenen Team und dem langjährigen Dienstleister, dadurch sind wir unabhängig und zugleich verlässlich aufgestellt.
connect professional: Welche Learnings würden Sie anderen Schulträgern mitgeben, die ähnliche Projekte starten möchten?
Müller-Lind: Drei Punkte haben sich für uns bewährt. Erstens: Klare Prozesse und eine zentrale Architektur und Identitätsmanagement sind entscheidend, gerade in einem Flächenlandkreis. Zweitens: Digitalisierung gelingt nur mit Menschen vor Ort – unsere Digitalisierungsbeauftragten sind dafür ein gutes Beispiel. Und drittens: Standardisieren, wo es geht. Nur so lassen sich tausende Geräte und Nutzer:innen effizient betreuen.
connect professional: Welche konkreten nächsten Entwicklungsschritte sind bei Ihnen geplant?
Müller-Lind: Wir arbeiten daran, weitere externe Systeme zu integrieren. Dazu gehört etwa die geplante Anbindung des BILDUNGSLOGIN vom Verband Bildungsmedien. Außerdem wollen wir den automatischen Abgleich mit der Lehrer- und Schülerdatenbank des Landes Hessen umsetzen (LUSD), sobald die Freigabe erfolgt.
connect professional: In einem Flächenlandkreis mit 86 Schulen: Wie gelingt es Ihnen, IT-Standards über viele verschiedene Schulformen hinweg konsistent umzusetzen?
Müller-Lind: Einheitliche Standards über so viele Schulen hinweg erreicht man nur mit modernen und robusten Systemen sowie mit durchdachten und automatisierten Prozessen. So gelingt es uns, tausende Geräte aus der Ferne zu betreuen und trotzdem auf die unterschiedlichen Schulformen einzugehen. Unsere Softwarepakete sind schulformspezifisch geschnürt, werden monatlich aktualisiert und jährlich mit den Schulen zusammen evaluiert.
connect professional: Sie nutzen pseudonymisierte Office-Dienste: Wie gestaltet sich das Zusammenspiel mit Datenschutzvorgaben und den pädagogischen Anforderungen?
Müller-Lind: Ein ganz schöner Spagat: Lehrkräfte wollen Office nutzen, gleichzeitig dürfen keine personenbezogenen Daten in die Cloud dieser Anbieter wandern. Deshalb stellen wir die Lizenzen lokal bereit und regeln die Anmeldung pseudonymisiert über UCS@school. Damit sind die Datenschutzauflagen erfüllt, und die Schulen können trotzdem mit den gewohnten Programmen arbeiten – ohne rechtliche Grauzonen und ohne zusätzlichen Aufwand.