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Schreckensszenario Fachkräftemangel

17. April 2020, 11:30 Uhr | Autor: Stefan Adelmann
© Olly / Fotolia

Es ist kaum reiner Mythos, dass es in mehreren Branchen an Fachpersonal mangelt. Allerdings müssen Unternehmen auch den situativen Kontext betrachten und ihre Position in einem zukünftigen Arbeitsmarkt erkennen.

Der Fachkräftemangel steht bereits seit Jahren und Jahrzehnten ganz oben auf der Agenda von Wirtschaft und Politik. Schon 2010 warnte der damalige Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, vor einer sich rasch zuspitzenden Lage – zehn Jahre später hat sich daraus eine regelrechte Bedrohung entwickelt, die konstant an der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen kratzt. Allein die Zahl hierzulande unbesetzter IT-Stellen soll laut dem Bitkom zwischen 2018 und 2019 um 51 Prozent auf 124.000 gesprungen sein. In den vergangenen zwei Jahren habe sie sich gar mehr als verdoppelt. Enormen Handlungsbedarf sehen viele Kritiker daher im hiesigen Bildungswesen, vor allem aber seitens der Politik – beispielsweise in Form einer Flexibilisierung des Arbeitsrechts, wie der Bitkom fordert.

Gleichzeitig gibt es aber auch zahlreiche Stimmen, die das Ausmaß des deutschen Fachkräftemangels in Zweifel ziehen, ihn gar zum Mythos erklären. Unbegründet? “Ich halte den Fachkräftemangel als Bedrohungsszenario eindeutig für einen Mythos, der von verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Akteuren aufgebauscht wird, um eigene Interessen durchzusetzen”, urteilt Unternehmer Martin Gaedt im Rahmen einer aktuellen Studie des Personaldienstleisters Hays. Das Ergebnis der Untersuchung unter 1.000 befragten Führungskräften fällt zwar weniger drastisch, aber nicht minder deutlich aus: Fachkräftemangel ja, aber längst nicht überall. Leidglich 38 Prozent der Studienteilnehmer bewerten ihn als problematisch für das eigene Unternehmen, besonders betroffen ist demnach das Gesundheitswesen. Die ITK-Branche liegt hingegen mit einem Anteil von 33 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt.

Außer Frage steht nichtsdestotrotz, dass sich zahlreiche Faktoren wie beispielsweise der demografische Wandel, die Digitale Transformation und auch Wanderungsbewegungen auf die Personalsuche in deutschen Unternehmen auswirken können, erklärt Prof. Dr. Peter M. Wald von der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur. Ein reiner Mythos also kaum, gleichzeitig ist der Fachkräftemangel aber auch nicht das drastische Schreckensszenario, zu dem er oftmals stilisiert wird – und dessen Zuspitzung Unternehmen nur mit noch lauteren Klagen um Personalnot und politische Untätigkeit begegnen können. Vielmehr sehen viele Experten einen grundlegenden Wandel im Arbeitsmarkt, in dem sich die Gewichtung zusehends zugunsten der Bewerber verschiebt. Konkret: Während Stellensuchende noch vor wenigen Jahren um die Arbeitgeber buhlen mussten, sind die Anforderungen unter den Fachkräften vieler Bereiche gestiegen. Sie können sich ihren Job aussuchen – und sie können es sich leisten.

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