connect professional: Wie treten Unternehmen am besten an Start-ups heran?
Gimmy: Am besten über eine dezidierte Unternehmenseinheit – die Venture Client Unit. Eine Venture Client Unit besitzt ein erfahrenes Team, die richtigen Strategien, Ressourcen und Technologien, um Probleme im Unternehmen mit Start-ups zu lösen. Dieser Fokus ist dabei essenziell, um möglichst effektiv nur die Projekte anzugehen, die den größten Mehrwert für das Unternehmen schaffen und Umsatzpotenziale oder Kosteneinsparungen erzielen.
In der Vergangenheit haben Unternehmen stattdessen oft Start-ups selbst aufgebaut, in Start-ups mit hohem Risiko investiert oder sich sogenannten Acceleratoren angeschlossen. Das ist aber gar nicht notwendig, wenn man eine Venture Client Unit etabliert hat.
connect professional: Welche Rolle spielt dabei das Konzept Venture Clienting? Woher kommt es und was ist darunter zu verstehen?
Gimmy: Jedes Unternehmen kauft von Start-ups – allerdings in den wenigsten Fällen systematisch und mit Erfolg. Als ich 2015 als Innovationsmanager bei BMW tätig war, wollte ich das ändern und habe eine eigene Einheit aufgebaut, die gezielt von Start-ups einkauft. So ist die BMW-Startup-Garage entstanden. Der Fachbereich wird also zum Kunden (‚Client’), allerdings mit dem speziellen Fokus auf Start-ups (‚Venture’). Im Gegensatz zu anderen Corporate-Venturing-Vehikeln benötigt man hier nur wenig Kapital. Die Technologie wird direkt beim jeweiligen Anwender getestet, und der Return on Invest (ROI) ist direkt gegeben. Venture-Client-Projekte erzielen Millionen an Kosteneinsparungen oder neuen Umsatzerträgen.
connect professional: Können Sie Beispiele im produzierenden Gewerbe nennen, wie Unternehmen von Start-ups konkret profitieren konnten?
Gimmy: Ein Beispiel ist Bosch, das das Start-up Inspekto in seine Fabrikhallen implementiert hat. Durch eigene Kameras und eine KI-Software kann das Start-up in der Qualitätssicherung automatisiert Fehler erkennen.
connect professional: Welche Digitalisierungsthemen können produzierende Unternehmen Ihrer Meinung nach nur stemmen, wenn sie sich das Know-how von Start-ups hinzuholen?
Gimmy: Start-ups sind in allen Bereichen aktiv. Wenn man sich das Start-up-Ökosystem und die Finanzierungsströme ansieht, kommen aus meiner Sicht folgende Trends zum Vorschein: Datentransparenz, Flexibilität, Nachhaltigkeit in der Produktion. Datentransparenz – das heißt, Start-ups bieten Software-Lösungen an, um mit der Datenflut in der Produktion umzugehen. Analysemethoden schaffen hier die nötige Transparenz, um die Produktion zu verbessern.
Flexibilität – Kunden wollen eine immer größere Bandbreite und Individualisierung in ihren Produkten. Die dadurch entstehenden kleineren Stückzahlen sind eine enorme Herausforderung für das produzierende Gewerbe. Start-ups helfen hier, durch Wenn-Ist-Szena-rien oder Knowledge-Graph-Technologien die nötige Flexibilität zu schaffen.
Nachhaltigkeit – Durch neue Regulatorik, wie zum Beispiel das Lieferkettengesetz, sind Unternehmen verpflichtet, ihr CO2-Reporting um die Emissionen der Lieferkette zu erweitern. Start-ups liefern hier passende Lösungen, um diese Transparenz in der Lieferkette zu ermöglichen. Sie können auch neue nachhaltige Produktionsweisen anregen, etwa durch Simulation oder Vorhersage-Algorithmen von Logistikketten.