Als Justiziar beim Zertifzierungsdienst Trusted Shops setzt sich Carsten Föhlisch seit mehr als zehn Jahren intensiv mit Rechtsfallen im Onlinehandel auseinander. Im CRN-Interview berichtet der Rechtsexperte über aktuelle Bedrohungen und die erschreckende Naivität vieler Internethändler.
CRN: Mit der Neufassung des Widerrufsrechts wurde eine der häufigsten Abmahnfallen entschärft. Ist damit auch automatisch die Abmahngefahr für Onlinehändler gesunken?
Föhlisch: Ja, allerdings nur, wenn auch die aktuelle Widerrufsbelehrung genutzt wird. Seit 11. Juni 2010 haben wir ein gesetzliches Muster, dessen Verwendung anders als früher nicht mehr erfolgreich abgemahnt werden kann. Fehler beim Widerrufsrecht waren nach unserer Studie aus dem Jahr 2009 mit knapp 40 Prozent die häufigsten Gründe für Abmahnungen von Onlinehändlern. Umso mehr wundert es mich, dass viele Händler die neue Vorlage noch nicht nutzen und sich so einem hohen Abmahnrisiko aussetzen, denn der alte Text ist seit der Neuregelung falsch und abmahngefährdet.
CRN: Eine andere Gesetzesnovelle sorgt dagegen für Belebung an der Abmahnfront: Welche Auswirkungen des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) haben Sie bisher beobachtet?
Föhlisch: Nicht erst seit der UWG-Neufassung, sondern bereits seit Ablauf der Umsetzungsfrist der europäischen Lauterkeitsrichtlinie im Dezember 2007 gilt ein in Teilen strengeres Wettbewerbsrecht. Im Onlinehandel hat dies dazu geführt, dass bestimmte Verstöße leichter abgemahnt werden können. So steht seit Geltung der Richtlinie außer Frage, dass unwirksame AGB-Klauseln zugleich wettbewerbswidrig sind. Zudem ist vielfach die Anwendung der Bagatellschwelle gesperrt, etwa bei Impressumsverstößen. Auch wenn z.B. nur die USt-IDNr im Impressum fehlt, was früher regelmäßig als Bagatelle eingestuft wurde, liegt ein erheblicher Wettbewerbsverstoß vor.