»Wir werden einen detaillierten Forderungskatalog vorstellen«
»Wir werden einen detaillierten Forderungskatalog vorstellen«. Die deutsche IT-Branche muss ihre Wachstumserwartung drosseln. Beim Umsatz zeichnet sich für dieses Jahr statt der bisher gedachten 3,4 Prozent nur ein Plus von 2,6 Prozent ab, wie der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) in der vergangenen Woche bekannt gab. CRN-Redakteur Markus Reuter sprach mit dem Bitkom-Vizepräsidenten Jörg Menno Harms über die Entwicklung auf dem deutschen ITK-Markt, die Urheberrechtsabgabe auf PCs und die Forderungen des Branchenverbands an die neue Bundesregierung.
»Wir werden einen detaillierten Forderungskatalog vorstellen«
CRN: Für den gesamten ITK-Markt hat der Bitkom die Prognose für das laufende Jahr deutlich nach unten revidiert. Statt einem Plus von 3,4 Prozent im Frühjahr wird es laut der Herbstprognose nur ein Plus von 2,6 Prozent. Oder: Statt 135,2 Milliarden Euro nun 134,1 Milliarden. 2006 soll der Zuwachs mit 2,4 Prozent sogar noch geringer ausfallen. In welchen Bereichen befürchtet der Bitkom stärkere Einbrüche?
Harms: Wir müssen erst einmal festhalten, dass der ITK-Markt immer noch wächst und zwar mit 2,6 Prozent. Positiv ist, dass der IT-Markt mit drei Prozent zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder zulegen konnte. Diese Entwicklung wurde primär von Software und Dienstleistungen getrieben. Für Software-Anbieter und IT-Dienstleister rechnen wir im laufenden Jahr mit einem Umsatzplus von jeweils 4,5 Prozent. Und es waren vor allem die Mittelständler, die das Bitkom-Barometer nach oben getrieben haben. Im Bereich Telekommunikation sieht der Sachverhalt anders aus: Aufgrund des starken Preisverfalls wächst dieser Bereich schwächer als erwartet. Allein im September gingen die Preise im Vergleich zum August um vier Prozent zurück. Nach unserer Einschätzung wird der TK-Markt sich im Jahr 2005 voraussichtlich um 2,2 Prozent auf 56,2 Milliarden Euro vergrößern.
CRN: Im Mobilfunk werden Billiganbieter wie beispielsweise Simyo für einen weiteren Preisverfall sorgen.
Harms: Bei Handys wird sich das Wachstum zwar verlangsamen, aber es werden immer noch 6,6 Prozent mehr Geräte abgesetzt werden als im vergangenen Jahr. In Deutschland nutzen 74 Millionen Menschen ein Handy, das entspricht einer Marktdurchdringung von 90 Prozent. Das ist beeindruckend, schließt allerdings weiteres Wachstum nicht aus: So liegen in Italien beispielsweise die Zahlen bei über 100 Prozent. Der Trend geht also eindeutig zum Zweithandy. Der Generationswechsel zu Geräten mit Farbdisplay und Kamera ist abgeschlossen.
CRN: Wie sieht es in der digitalen Unterhaltungselektronik, dem großen Trendthema, aus?
Harms: Wir sehen hier dramatische Verschiebungen von der analogen zur digitalen Welt. Dies kann man exemplarisch an drei Produktgruppen veranschaulichen: Flachbildfernseher und Beamer legen in diesem Jahr um 70 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zu. Digitalkameras steigern sich um 15 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. MP3-Player wachsen um 51 Prozent auf 500.000 Euro. Analoge Röhrenfernseher machen dagegen nur noch 25 Prozent des Marktes aus. Die digitale Unterhaltungselektronik ist also ein Markt mit einem rasanten Wachstum.
CRN: Wie sieht es im Breitband-Markt aus? Hier gab es ja in Deutschland durchaus noch Nachholbedarf.
Harms: Breitband ist im Kommen, das ist eine schöne Entwicklung. Wir erwarten in diesem Jahr zehn Millionen Anschlüsse. Wir hinken zwar noch etwas hinterher, holen aber auf. Die Internet-Telefonie hat derzeit noch keinen nachweisbaren Einfluss, wird aber kommen.
CRN: Wird der Bitkom in Zukunft auch zu einer Interessenvertretung für den Handel werden? Wie wir hörten, gibt es offensichtlich Bestrebungen in diese Richtung.
Harms: Unsere Mitglieder sind daran interessiert, zu erfahren, was im Markt passiert. Und zum Markt gehören natürlich auch in starkem Maße die Partner. Eine stärkere Bindung an den Handel könnte ich mir also durchaus vorstellen. Eine konkrete Aussage dazu kann ich allerdings noch nicht treffen.
CRN: Herr Harms, Sie kümmern sich ja schon seit längerem um das Thema Urheberrechtsabgabe. Hier liegt im Justizministerium ein Damoklesschwert für die IT-Branche: Die Abgaben auf PCs und Drucker. Werden Sie dieses Thema demnächst wieder angehen?
Harms: Wir haben mit dem Justizministerium und den Verwertungsgesellschaften in der Vergangenheit intensiv verhandelt, um dieses Damoklesschwert verschwinden zu lassen. Die Gesetzgebung stammt noch aus dem analogen Zeitalter, wir brauchen schnellstmöglich eine neue Verordnung, die das digitale Umfeld berücksichtigt. Wir werden dieses Thema sofort aufgreifen, wenn die Ansprechpartner im Justizministerium feststehen.
CRN: Der Bitkom stellt hohe Erwartungen an die neue Bundesregierung und damit auch an den neuen Wirtschafts- und Technologieminister Stoiber. Welche Forderungen sind von der Bundesregierung primär zu erfüllen ? bei einem Haushalt, der kaum Spielraum für zusätzliche Ausgaben lässt?
Harms: Wir werden zur Systems einen detaillierten Forderungskatalog vorstellen, der enthält, was wir uns von der neuen Bundesregierung erwarten. Drei Maßnahmen werden im Mittelpunkt stehen: Erstens muss eine gute Ausbildung der jungen Menschen gewährleistet sein. Zweitens benötigen wir höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung. Und drittens müssen junge Unternehmen in wichtigen Wachstumsfeldern stärker als bisher gefördert werden.