Das Internet of Things (IoT) steht immer noch am Anfang. Dennoch werden die gravierenden Auswirkungen auf Netzwerkarchitekturen und -technologien bereits deutlich. In funkbasierten Netzwerken gilt der Energieverbrauch an den Endpunkten als eine der größten Herausforderungen. Nachdem der Mobilfunk hier mit Low-Power-Versionen von LTE bereits vorgeprescht ist, zieht das WLAN in Form von Halow gerade nach. Mit "passivem WLAN" könnten die Karten neu verteilt werden. Nichts stellt gängige Netzwerkinfrastrukturen derzeit so auf den Kopf wie das Internet of Things. Sensoren, die ihre Daten an zentrale Analyse- und Management-Werkzeuge übermitteln, machen aus Dingen intelligente Geräte. In manchen IoT-Szenarien wie beispielsweise dem autonomen Fahren erzeugen Hunderte von Sensoren unterschiedlichster Art in jedem Auto eine so große Datenmenge, dass eine Übermittlung in ein zentrales Rechenzentrum weder ökonomisch darstellbar, noch mit den Anforderungen einer Echtzeitsteuerung in Einklang zu bringen ist. Das IoT verlangt also nach intelligenten Außenposten (Edge Computing), die vor Ort bereits erste Auswertungen vornehmen und Daten nur selektiv an die Zentrale schicken.
In größeren IoT-Installationen wie beispielsweise komplexen Anlagensteuerungen in der Industrie wächst die Zahl der Sensoren schnell auf viele Tausend. Jeden Sensor mit dem Stromnetz zu verbinden, ist hier schon aus praktischen Gründen ein Ding der Unmöglichkeit. Oft sind Sensoren samt Kommunikationseinheit unzugänglich in bestimmte Geräte eingebaut und/oder in andere Gewerke versenkt, etwa bei Sensoren, die die Anzahl belegter Parkplätze erfassen. Das bedeutet, die Stromversorgung von Sensor und Kommunikationseinheit muss netzunabhängig über Batterien erfolgen - und diese sollten über einen möglichst langen Zeitraum durchhalten. Ein oft genannter Sollwert liegt hier bei zehn Jahren.
Für die Kommunikation der Sensoren bietet sich in vielen Fällen eine Funktechnologie an, zumindest in großflächig verteilten oder auch kabeltechnisch schwer erreichbaren Installationen. In lokalen Installationen mit einer überschaubaren Anzahl von Sensoren könnte die Anbindung auch über ein Gebäudebussystem laufen. Das Problem beim Funk ist, dass die klassischen Technologien nicht für die M2M-Kommunikation (Machine to Machine) ausgelegt und insbesondere hinsichtlich ihres Energieverbrauchs für die meisten Einsatzszenarien ungeeignet sind. Die Mobilfunk-Provider boten hier am schnellsten neue Lösungen an, da sie im Trend IoT neue Geschäftsfelder für sich erkannten. Stand heute gibt es drei Standards und eine Reihe von proprietären Ansätzen für sogenannte Low-Power-Wide-Area-Technik (LPWA) auf dem Markt. Standards wie LTE-M, Narrowband IoT (NB-IoT) und Lora-WAN (Long Range) sollen die wichtigsten Anwendungsfälle abdecken.
Auch wenn der Energieverbrauch hier nun innerhalb der gewünschten Spezifikationen liegt, ein Grundproblem des Mobilfunks, die begrenzten Bandbreiten, ist damit keineswegs gelöst. Oder anders formuliert: Bereits ohne IoT sind die Netzwerke der Mobilfunk-Provider chronisch überlastet. Mit IoT erwarten Fachleute ein mindestens um den Faktor 1.000 höheres Datenaufkommen als heute. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich rein mit der Nutzung der durch die Provider lizenzierten Frequenzbänder kaum ein vernünftiger IoT-Service aufsetzen lässt.
Einer der deutlichsten Trends in Sachen Mobilfunk ist vor diesem Hintergrund die Einbeziehung unlizenzierter Frequenzen, wie sie unter anderem WLAN-Systeme nutzen. Laut einem Analysten-Report von Dell?Oro geben die Mobilfunk-Provider derzeit etwa 300 Millionen Dollar pro Jahr für den Aufbau von WLAN-Systemen aus, auf die sie dann den Datenverkehr aus ihrem überlasteten lizenzierten Spektrum abladen können. Die unlizenzierten Frequenzspektren etwa um 0,9, 2,4 und 5 GHz sind für alles und jeden zur Nutzung freigegeben; der Gedanke, auch Mobilfunkverkehr dorthin auszulagern, lag also nahe. Die Freiheit und das Fehlen jeglicher zentralen Kontrolle in diesen Frequenzbändern hat jedoch eine gravierende Kehrseite. Da jeder quer funken kann, sind Störungen der Kommunikation jederzeit möglich, garantierte Service-Qualitäten kaum realisierbar. Dass WLAN-Systeme heute dennoch mit Geschwindigkeiten bis in den Gigabit-Bereich (die aktuelle Technologie 802.11ac Wave 2 WLAN spezifiziert bis zu 3 GBit/s) hineinarbeiten und eine vergleichsweise stabile Performance abliefern, gilt als Meisterleistung der Ingenieurskunst über die vergangenen 20 Jahre hinweg. Logisch, dass sich die Mobilfunk-Provider bei ihren Offload-Bemühungen eben dieser ausgereiften WLAN-Technik bedienen wollen.
Konkret sind derzeit mit LTE im unlizenzierten Spektrum (LTE-U), Licensed Assisted Access (LAA), LTE WLAN Aggregation/LTE WLAN Radio Level Integration with IPSec Tunnel (LWA und LWIP) und Multefire vier Technologien im Gespräch, welche die Nutzung unlizenzierter Frequenzspektren durch LTE regeln sollen.
Einige davon gelten als fair im Zusammenspiel mit anderen WLAN-Installationen, andere verhalten sich dominant und sind kaum für eine Koexistenz geschaffen. LTE-U beispielsweise, eine proprietäre Entwicklung des LTE-U-Forums unter der Ägide von Verizon und mit Unterstützung durch Qualcomm, Ericsson, Nokia und Samsung, liegt in diesem Konflikt irgendwo im Mittelfeld. Rudimentäre Mechanismen für die Regelung einer Koexistenz sind zwar vorhanden, diese greifen jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. LAA wurde letztes Jahr vom 3GPP-Konsortium im Rahmen von LTE Release 13 verabschiedet. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona demonstrierten Unterstützer des LAA-Standards, wie sich durch den Einsatz dieses LTE-Offload-Verfahrens der Gesamtdurchsatz einer LTE-Verbindung auf bis zu 1 GBit/s steigern lässt. Auch hier fehlen jedoch derzeit noch ausgefeiltere Mechanismen für die Koexistenz mit anderer Technik.
Die gibt es hingegen bei LWA und LWIP, ebenfalls zwei 3GPP-Technologien. Eine Störung des WLAN-Verkehrs findet hier nicht statt. Während LWA eine Umrüstung der WLAN-Infrastruktur erfordert, arbeitet LWIP mit jeder vorhandenen WLAN-Installation. Multefire schließlich ist eine Entwicklung von Qualcomm und Nokia, die für diesen Zweck eigens die Multefire-Allianz ins Leben gerufen haben. Diese wird heute unter anderem auch von Ericsson und Intel unterstützt. Im Gegensatz zu allen anderen Mechanismen, die lizenzierte und unlizenzierte Frequenzspektren auf die eine oder andere Art bündeln, nutzt Multefire ausschließlich die WLAN-Frequenzen. Technische Basis ist hier LAA, mit entsprechenden Konsequenzen für die Koexistenz. Ebenfalls auf dem letzten Mobile World Congress legte die Multefire-Allianz in ihren Präsentationen allerdings großen Wert darauf, dass ihre Technologie die WLAN-Performance nicht beeinflusse. Detaillierte Infos zu den verschiedenen LTE-Offload-Verfahren bietet beispielsweise das Whitepaper "Wi-Fi First" von Aruba/HPE.
Als "Exot" sei hier noch eine Art Gegenentwurf zu Multefire vorgestellt, der quasi LTE-Offloading ausschließlich auf den lizenzierten LTE-Frequenzen betreibt. Das K-Bow-System des Rosenheimer Unternehmens Kathrein zielt dabei nicht dediziert auf IoT-Installationen, sondern will einfach als Inhouse- oder auch als Gelände-LTE eine stabile und performante Mobilfunkkommunikation bereitstellen. Die zentrale Komponente der Infrastruktur ist beim Provider installiert, der das System und dessen Zusammenspiel mit dem öffentlichen LTE-Netz auch steuert.
Auf das WLAN kommen also mit dem IoT sehr bewegte Zeiten zu, nicht nur als eigenständige Technologie für die Kommunikation der Sensoren, sondern auch als Auffangmechanismus für überlastete LTE-Netze. Umso erstaunlicher ist, dass das WLAN seinen großen Auftritt offenbar zunächst verschlafen hat. Dank seiner technischen Ausgestaltung und allgegenwärtigen Präsenz gibt es im WLAN in der Regel kaum Performance-Probleme. Für das IoT verbraucht das WLAN dafür aber bei Weitem zu viel Energie. Einen kleinen Morgengruß lieferte die Wifi-Alliance zur Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Anfang 2016: Unter der Bezeichnung Halow schickte sie die im IEEE-Komitee in der Arbeitsgruppe 802.11ah entwickelte und seit Mitte letzten Jahres verabschiedete Technologie ins Rennen, die drahtlose Kommunikation besonders energiesparend, weitreichend und robust verarbeitet.
Anders als alle anderen WLAN-Technologien nutzt Halow Frequenzbänder unterhalb von 1 GHz, wo sich bislang etwa die Funkstandards Zwave und Zigbee ansiedeln. Physische Basis ist die auf ein Zehntel herunter getaktete 802.11ac-Technologie. Wie hoch der Energieverbrauch bei Halow genau ist, darüber schweigen einschlägige Quellen jedoch bis heute. Ebenfalls merkwürdig: Seit der publikumswirksamen Präsentation des Halow-Standards kam bis dato nicht mehr viel nach. Zwar hatte die Wifi-Organisation bereits damals angekündigt, ein Zertifizierungsprogramm für Halow-Produkte erst 2018 aufzusetzen, die Szene hat aber dennoch für 2017 schon eine erkleckliche Zahl von Produktankündigungen in diesem Umfeld erwartet - zumal der Standard ja bereits verabschiedet ist. Diese Erwartung wurde bislang allerdings gründlich enttäuscht.
Unterdessen kommen äußerst spannende Nachrichten von ganz anderer Seite. So ist es Forschern an der Universität von Washington offenbar gelungen, den Energieaufwand für die Datenübertragung im WLAN um den Faktor 10.000 zu reduzieren. Das wäre sensationell. Selbst die auf Energiesparen getrimmten Funktechniken Bluetooth Low Energy und Zigbee sehen dagegen ziemlich alt aus: In diesem Vergleich liegt passives WLAN rund um den Faktor 1.000 vorne.
Das Geheimnis hinter dieser Errungenschaft liegt in der Trennung von aktiven und passiven WLAN-Komponenten. Die aktiven Komponenten wie Router, Access Points etc. bilden das Netzwerk, die passiven Komponenten kommen in die Endgeräte. Letztere verzichten auf das energiefressende analoge Hochfrequenzband, das neben einem digitalen Basisband üblicherweise in allen bisherigen WLAN-Chip-Sets verbaut ist. Stattdessen kommunizieren sie rein passiv per Rückstreuung (Backscatter) von WLAN-Signalen. Die Website der Universität (passivewifi.cs.washington.edu/#abstract) nennt hier einen Energieverbrauch von lediglich 59,2 µW bei Übertragungsraten von 11 MBit/s und sogar nur 14,5 µW bei 1 MBit/s. Die Übertragungsgeschwindigkeiten sind keineswegs auf diese Werte fixiert. Der von den Forschern gebaute Prototyp basierte auf 802.11b-Technik, deren oberes und unteres Limit eben bei den genannten Geschwindigkeiten liegt. Das Verfahren soll jedoch auch mit anderen WLAN-Verfahren funktionieren.
Ein großes Plus für das passive WLAN liegt auch darin, dass es in der Lage sein soll, mit allen handelsüblichen WLAN-Installationen und -Endgeräten wie Smartphones und Tablets zu kommunizieren. Man könnte es damit praktisch als eine Art Overlay-Netzwerk an vorhandene Gebäude-, Büro- und Heimnetzwerke andocken. Der ideale Einsatzbereich wären sicherlich Sensoren für das IoT. Ob das Verfahren auch für den Einsatz etwa in Smartphones geeignet ist, muss sich noch zeigen. Der vergleichsweise geringe Spielraum bei den überbrückbaren Distanzen (laut Universität maximal 30 Meter) dürfte sich hier als Stolperstein erweisen. Wenn sie allerdings zusätzlich zum klassischen WLAN verbaut und intelligent gesteuert wird, mag sie auch dort zur Schonung der Akkukapazität beitragen.
Die erstmals Anfang 2016 vorgestellte Rückstreu-Technologie hat offenbar noch weiteres Potenzial. So haben die Wissenschaftler vor Kurzem bereits eine neue Version ihres Backscatter-Verfahrens vorgestellt, die in der Lage sein soll, die Signale auch von Bluetooth und Zigbee zu verstehen und in der Luft zu übersetzen. Die jetzt "Interscatter" genannte Technik soll im Labor bereits aus rückgestreuten Bluetooth-Übertragungen standardkonforme WLAN-Signale mit 2 und 11 MBit/s und Zigbee-Signale erzeugt haben. Für die Antennen arbeiten die beteiligten Computerwissenschaftler und Elektroingenieure an Formfaktoren wie zum Beispiel einer Kontaktlinse. Zusammen mit einem neuronalen Interface wollen sie die Technologie implantierbar machen - sei es zu medizinischen Zwecken oder einfach fürs Körpertraining.
Vieles, was die Amerikaner präsentierten, mutet an wie Science Fiction. Tatsächlich ist das neue Verfahren jedoch schon unterwegs zur Marktreife. Ein Teil der beteiligten Studenten konnte kürzlich 1,2 Millionen Dollar Risikokapital gewinnen und damit ein Start-up gründen. Jeeva Wireless kümmert sich als Spin-off der Universität von Washington nun um die Kommerzialisierung der Technologie.