Das Solution Framework für Gaia-X basiert auf einer Referenzarchitektur, die alle für den Aufbau von Gaia-X-Einsatzszenarien erforderlichen Komponenten beschreibt. Damit soll es den sicheren Betrieb der Infrastruktur für dezentrale Workloads gewährleisten – einschließlich einer zentralen Governance-Struktur für die Daten, die laut Johannes Koch den meisten Unternehmen heute noch fehlt. Alle Services – von den Infrastruktur-Services über Monitoring, Metriken und Identitäts-Management bis zur Mandantentrennung – laufen innerhalb dieses Gaia-X-Service-Meshs.
Die Softwaregrundlage bilden Containerisierung mit Kubernetes-Orchestrierung und die Ezmeral Software Platform des Konzerns. Diese bietet Funktionen für den einheitlichen, sicheren Zugriff auf verteilte Daten ebenso wie für die Überwachung und Verwaltung verteilter Kubernetes-Cluster. Die Ezmeral Control Plane selbst baut auf Kubernetes auf, und auch die Esmeral Data Fabric ist selbstverständlich für den Einsatz in einem Kubernetes-Kontext konzipiert.
HPE empfiehlt den Unternehmen, zunächst ihre Legacy-Anwendungen und -Plattformen in Container zu überführen, um im Hybrid-Cloud-Kontext die nötige Flexibilität und Agilität zu gewährleisten. Denn die Rolle des einzelnen Unternehmens sieht man bei HPE als Gaia-X-basierte Cloud im Rahmen einer größeren, föderierten Wolkenfront.
Zur Absicherung der Gaia-X-Infrastruktur setzt HPE auf Spiffe (Secure Production Identity Framework for Everyone) und Spire (Spiffe Runtime Environment). Spiffe und Spire bieten einen Open-Source-basierten Zero-Trust-Ansatz, um die sichere Authentifizierung von Software-Services mittels plattformunabhängiger kryptografischer Identitäten zu ermöglichen.
Für die Business-Seite des Monetarisierungsspiels baut HPE auf seine Plattform Cloud28+, die dafür konzipiert ist, dass Unternehmen Daten und Services über einen Marktplatz beziehen können. Die Plattform, ursprünglich als Service-Katalog für HPEs Cloud28+-Community geschaffen, steht nun neben dem HPE-Partnernetzwerk auch weiteren Organisationen offen.
Das HPE Solution Framework für Gaia-X und der HPE Roadmap Service für Gaia-X sind in Europa bereits verfügbar. Laut Ralph Schirmeisen, Distringuished Technoloist bei HPE, der das Unternehmen in den Gaia-X-Arbeitsgruppen vertritt, ist das einzige Puzzlestück, das noch fehlt, der Federation-Teil. Die Gaia-X-Schnittstellen und -Konnektoren werden daher laut HPE erst folgen, sobald die Gaia-X-Spezifikationen finalisiert sind.
Ein Minimum Viable Product (MVP) für das Gesamtkonzept wird laut Schirmeisen voraussichtlich im September zur Verfügung stehen. Zertifizierte Lösungen sind demnach frühestens Ende des Jahres zu erwarten. „Wir werden Gaia-X nicht als Big Bang sehen“, sagt Schirmeisen und prognostiziert eine Zukunft mit zunächst kleinen Anwendungsfällen und zahlreichen Early-Adopter-Umgebungen („Speedboats“).
So wie Linux eine Open-Source-Alternative zu Closed-Source-Betriebssystemen wie Windows oder macOS darstellt (mit Google Android irgendwo in der Mitte), schickt sich Gaia-X an, eine offene, standardbasierende Alternative zu den Walled Gardens der Hyperscale-Cloud-Anbieter zu etablieren. Ganz so klar ist die Differenz im Fall von Gaia-X allerdings nicht: Auch AWS, Microsoft und Google sind inzwischen an Bord geklettert, was die Abgrenzung gegenüber den Hyperscalern dann doch ein wenig erschwert – aber auch die „OS-Kriege“ zwischen Microsoft und der Linux-Community sind inzwischen weitgehend ausgestanden, ist doch in der Cloud-Welt von heute das Betriebssystem meist eh unsichtbar.
Es bleibt das Problem der Datensouveränität: Will man ein Paket verschicken, hat man heute die Wahl zwischen einem teils staatlich geförderten, teils privatwirtschaftlichen, aber offenen Netzwerk von Postdiensten und der Punkt-zu-Punkt-Zustellung über private Zustelldienste wie UPS. Und jeder hat, je nach Region, andere Rechte, die Pakete zu öffnen. Ähnlich werden Unternehmen, die bei der Datenökonomie mitmischen wollen, bald vor der Wahl stehen zwischen einer föderierten Datenökonomie und der Bindung an einen Hyperscaler und dessen Datenpolitik. Sie werden sich genau überlegen müssen, wessen Briefmarke sie auf ihre Datenpakete kleben wollen – und dass es Überschneidungen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Lieferdiensten geben wird, macht die Entscheidung sicher nicht leichter.