Erstlösungsrate und Qualitätskontrolle

Service-Desk auf dem Prüfstand

14. November 2014, 7:00 Uhr | Christoph Wuttig, tätig als Fachbereichsleitung IT-Service-Management bei COC, www.coc-ag.de./wg

Die Geschäftsprozesse erzeugen nur dann die gewünschte Wertschöpfung, wenn sie einen möglichst hohen Verfügbarkeitsgrad aufweisen. Inzwischen werden sie hochgradig durch IT unterstützt, aber selbst intelligente und ausgefeilte Technik funktioniert im Zusammenspiel mit den Mitarbeitern nicht jederzeit reibungslos. Deshalb kommt der Frage der Qualitätskontrolle am Service-Desk eine hohe Bedeutung zu.

Der Service-Desk spielt eine besondere Rolle, weil er meist die erste Anlaufstelle für die Schwierigkeiten und Produktivitätshemmnisse der Benutzer von IT-Systemen im Unternehmen ist. Da die Unternehmen jedoch externe Dienstleister oder eigene IT als internen Provider nutzen, stellt sich vielfach die Frage nach der wirtschaftlichen Effizienz und der Qualität des Service-Desks: Was leistet er tatsächlich? Erzielt das Unternehmen einen ausreichenden Mehrwert, wenn ein Service-Provider diese Support-Funktion übernimmt?
Antworten darauf lassen sich nur durch Controlling-Methoden erlangen, bei denen Kennzahlen zur Erstlösungsrate beim First-Level Support ermittelt werden. Sie stellen eine belastbare Grundlage für eine Qualitätsdiskussion mit dem Dienstleister dar und dienen somit der Provider-Steuerung.
Aber auch für den Service-Desk selbst verbirgt sich in der Ermittlung der Erstlösungsrate ein wesentlicher Nutzen, weil er darüber seine Lösungs-Performance transparent und vergleichbar machen kann. Denn oft sehen sich diese Support-Einheiten dem Vorurteil ausgesetzt, nicht ausreichend kompetent zu sein. Umgekehrt lassen sich mittels dieser Leistungskennzahl aber auch Optimierungspotenziale identifizieren.
 
Erstlösung nach Zeitaufwand im First Level
Eine vergleichsweise einfache Berechnungsmethode für Tickets, die einer schnellen Lösung bedürfen, stellt die Bearbeitungsdauer in den Mittelpunkt. Notwendig ist dafür, zeitliche Vorgaben für das erfolgreiche Lösen eines Vorfalls (Incidents) zu definieren oder sie aus den Service Level Agreements (SLA) abzuleiten und beispielsweise im Ticketsystem zu hinterlegen. So kann beispielsweise die Vorgabe lauten, dass eine bestimmte Kategorie von Aufgabenstellungen innerhalb von 60 Minuten bewältigt sein sollte. Die Festlegung, welche Problemlösung in welchem Zeitfenster oder bei einer bestimmten Kritikalität zu realisieren ist, schafft einen Referenzwert zur Berechnung der First-Level-Qualität. Diese ermittelt sich aus der Summe aller Tickets dividiert durch die Summe der Tickets, die der Service-Desk schneller als in der vorgegebenen Dauer X löst.
Ein wesentlicher Vorteil dieser Berechnungsmethode ist, dass sie sich ohne besondere mathematische Kenntnisse umsetzen lässt und praktisch jedes Ticketsystem dafür zum Einsatz kommen kann. Dem steht jedoch gegenüber, dass sie einen starken Anwenderbezug hat und sich nicht aus den Bedingungen der IT-Organisation ableitet. Ebenso berücksichtigt sie keine auftretenden besonderen Belastungen der Support-Mitarbeiter, zum Beispiel wenn Incidents auf lösungsmüde Service-Desk-Mitarbeiter stoßen und dadurch längere Bearbeitungszeiten entstehen.
Beim Einsatz dieser Methode darf man aber auch nicht außer Acht lassen, dass sie nicht frei von Möglichkeiten ist, die Ergebnisse des Controllings durch zeitliche Mogeleien zu schönen. So können die Beschäftigten im First-Level-Support beispielsweise die Zeitmessung verzögert vornehmen statt bereits im Moment der telefonischen Annahme des Tickets. Eine andere denkbare Form der gezielten Ergebnissteuerung wäre es, Tickets "on hold" zu setzen. Da sich keine direkte Kontrolle des korrekten Verhaltens vornehmen lässt, kommt den Führungskräften die Aufgabe zu, die Service-Desk-Mitarbeiter zu einem korrekten Verhalten zu motivieren.
 
Erstlösungsrate nach Service-Katalog
Grundlage dieser Berechnungsmethode ist eine Festlegung lösbarer Themenkategorien sowie Vorgaben, in welchem Anteil die Incidents am First-Level Support gelöst werden und in welchem Umfang sie an den Second-Level Support weitergeben werden dürfen. Eine solche Kategorie stellen etwa Standard-Clients dar, deren Tickets als Vorgabe beispielsweise zu 60 Prozent am Service-Desk zu lösen sind. Die definierten Lösungsraten je Kategorie lassen sich im Ticketsystem hinterlegen.
Für die konkrete Berechnung wird die Summe aller Tickets mit lösbarer Kategorie durch die Summe der tatsächlich gelösten Tickets dividiert. Dies erzeugt ein konkretes Abbild der Leistungsqualität im Service-Desk und eignet sich deshalb besonders auch für externe Provider. Zudem lässt sich damit der jeweilige Erfüllungsgrad für jeden Service exakt betrachten.
Diesen Vorteilen steht jedoch gegenüber, dass diese Methode einen höheren Pflegeaufwand erzeugt. Dies resultiert daraus, dass regelmäßig die gesamten Änderungen in den Anforderungen und neue Lösungsraten abzubilden sind. Hinzu kommt die Schwierigkeit der Definition, was man in puncto Kompetenzen den First-Level-Mitarbeitern am Service-Desk als lösbar zumuten kann.
 
Erstlösungsrate nach Second-Level-Beurteilung
Bei der dritten Variante der Berechnungsverfahren steht das Qualitäts-Management im Vordergrund. Dabei bewerten Second-Level-Mitarbeiter alle Tickets dahingehend, ob die First-Level-Kollegen diese lösen können. Hilfreich ist der Einsatz dieser Methode, wenn seitens der Fachabteilungen Unzufriedenheit mit der IT besteht.
Bei der Berechnung wird die Summe aller Tickets durch die Summe der Tickets dividiert, die der Second-Level Support für den Service-Desk als lösbar erachtet. Bei schlechten Ergebnissen kann dies etwa darauf hindeuten, dass ein Bedarf an Nachschulung für die Mitarbeiter im First-Level Support besteht. Zu den Vorteilen dieser Berechnungsmethode gehört, dass sie hilft, eine gezielte Leistungssteigerung zu unterstützen, indem sie sich gut mit etablierten Vorgehensweisen des Qualitäts-Managements und Optimierungsmethoden wie SIP (Service Improvement Program) kombinieren lässt.
Die Qualitätsbewertung und Identifikation von Verbesserungspotenzialen hat jedoch ihre Grenzen. Denn es erfolgt keine Bewertung der Tickets, die unmittelbar im First-Level gelöst werden und damit außerhalb des Blickfelds der Second-Level-Mitarbeiter bleiben. Zu den Nachteilen dieser Methode gehört aber auch eine mögliche Bewertung nach Sympathien oder anderen sachfremden Aspekten. Ein weiterer kritischer Aspekt der Erstlösungsbewertung durch den Second-Level besteht darin, dass dort weiteres Know-how wie zum Beispiel Kenntnisse zu SLAs (Service Level Agreements), OLAs (Operational Level Agreements) und UCs (Underpinning Contracts) notwendig sind.
 
Gesamte Erstlösungsrate ermitteln
Eine vierte Berechnungsmethode schließlich erfasst die Erstlösungsrate im Service-Desk über alle Tickets hinweg und stellt die einfachste Form eines First-Level Controllings dar. Hierbei wird die Gesamtheit aller Tickets der Summe der Incidents gegenüber gestellt, die der Service-Desk ohne Unterstützung des Second-Level Supports lösen konnte. Durch die leicht ermittelbare Lösungs-Performance eines externen Supports bietet sie sich als ideales Instrument zur Provider-Steuerung an. Außerdem eignet sich dieses Verfahren aufgrund seiner einfachen Berechnung per Kennzahl für einen Leistungsvergleich des Service-Desks.
Allerdings hat auch diese Methode zur Ermittlung der Erstlösungsrate gewisse Schattenseiten. So beschränkt sich die Aussagekraft auf die Lösungsfähigkeit am Service-Desk. Zudem lassen sich darin keine Rahmenbedingungen wie etwa der Einsatz von Self-Service berücksichtigen, sodass einem Benchmarking gewisse Ungenauigkeiten zugrunde liegen.
 
Mehr als nur Provider-Steuerung
Welche Methode im individuellen Fall die günstigste Variante darstellt, hängt nicht zuletzt von der IT-strategischen Ausrichtung ab. Bestehen beispielsweise kritische Prozesse mit einem hohen Verfügbarkeitsanspruch, weil sie direkt in das Business hineinreichen und schneller Problemlösungen bedürfen, empfiehlt sich möglicherweise das aufwandsbezogene Berechnungsverfahren.
Generell gilt, dass die IT und das Business einer ständigen Veränderung unterliegen und ein Unternehmen deshalb auch die verwendeten Berechnungsmethoden immer wieder auf den Prüfstand stellen und im Bedarfsfall modifizieren muss. Dazu gehört, die Zielwerte den möglicherweise veränderten Anforderungen anzupassen und das Aufwand/Nutzen-Verhältnis regelmäßig neu zu hinterfragen.
Wichtig ist beim Einsatz solcher Controlling-Methoden: Sie stellen nicht nur ein Instrument für den Einkauf dar, mit dessen Hilfe dieser die Provider-Kosten für den Service-Desk kritisch beleuchten kann. Ein ebenso großer Nutzen besteht darin, über die ermittelte Erstlösungsrate substanzielle Hinweise ableiten zu können, ob der First-Level Support fachlich ausreichend qualifiziert ist oder ein nennenswerter Bedarf zur Leistungsoptimierung besteht.

Für die Qualitätskontrolle der Service-Desk-Arbeit stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. Bild: COC

Berechnungsmethoden der Erstlösungsrate am Service-Desk. Bild: COC

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