In der öffentlichen Wahrnehmung scheint WLAN inzwischen zu einer technischen Selbstverständlichkeit degradiert zu sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Drahtlostechnik keine Innovationen mehr zu bieten hätte - im Gegenteil, sie ist präsenter denn je. Nach wie vor gibt es sehr viele spannende Entwicklungen, vor allem in Richtung mehr Speed und schnellere Reaktionsgeschwindigkeiten. Mit der zunehmenden Zahl und Art von WLAN-Geräten steigen die Herausforderungen - nicht zuletzt hinsichtlich der Integration mit anderen Funktechniken wie NFC, Bluetooth und Mobilfunk.Mit dem IEEE-Standard 802.11ac hat WLAN eine Entwicklungsstufe erreicht, die Unternehmen, Behörden und öffentlichen Hotspot-Betreibern differenzierte und passgenaue Einsatzmöglichkeiten bietet. Doch während WLANs nach diesem Standard im Jahr 2014 ihren großen Durchbruch feierten, laufen hinter den Kulissen bereits die Vorbereitungen für die nächsten WLAN-Generationen. So nehmen die Arbeiten an der Ende 2013 verabschiedeten "zweiten Welle" ("Wave 2") des ac-Standards konkrete Formen an. Need for Speed: 802.11ac Wave 2, 802.11ad und Wigig, TGax Kern von "802.11ac Wave 2", wie die neue ac-Version offiziell heißt, sind höhere Transferraten pro Antenne. Beim bisherigen "Wave 1" liegen diese bei 433 MBit/s. Zwar ist über die vier laut Standard möglichen Antennen ("Spatial Streams") auch bei Wave 1 bereits eine Übertragung im Gigabit-Bereich möglich (typisch 1,3 GBit/s, theoretisch bis zu 1,73 GBit/s), in der Praxis machen jedoch allenfalls Access Points/WLAN-Router davon Gebrauch. In vielen kleinformatigen Endgeräten ist angesichts parallel zu verbauender, weiterer Funktechniken nur Platz für eine einzige WLAN-Antenne. Bei größeren Tablets und Laptops existiert dieses Problem zwar nicht, viele Hersteller wollen aber ihre Kosten drücken und verbauen auch dort nur eine einzige Antenne. Daher verdoppelt Wave 2 die maximale Kanalbreite pro Antenne von 80 auf 160 MHz, was theoretisch auch zu einer Verdoppelung der Übertragungsrate von 433 auf 866 MBit/s führt. Bei nun acht möglichen Antennen ergibt sich mit Wave 2 also eine Gesamtbandbreite von theoretisch bis zu 6,9 GBit/s, die aber auch dort höchstens zentrale Netzwerkgeräte erreichen werden. Bereits seit 802.11n sorgen mehrere Antennen nicht nur für höhere Durchsatzraten, sondern auch für stabilere Verbindungen. Das dahinterstehende MIMO-Verfahren (Multiple Input Multiple Output) wurde für ac Wave 2 zum Multi-User MIMO (MU-MIMO) ausgebaut. Genau genommen gab es auch diese Fähigkeit, mehrere Endgeräte parallel anzusteuern beziehungsweise die Funkverbindung je Client zu optimieren, ebenfalls schon bei einigen Herstellern von 802.11n-Access-Points - seinerzeit jedoch noch auf proprietärer Basis. In ac Wave 2 ist die als "Beamforming" bekannte Technik in Form des MU-MIMO nun standardisiert. Erste Wave-2-Produkte waren bereits zu sehen. So hat etwa Halbleiter-Gigant Qualcomm auf dem Broadband World Forum in Amsterdam kürzlich verkündet, dass das erste Ende-zu-Ende-Ökosystem aus "ac Wave 2"-Lösungen mit MU-MIMO-Technik jetzt für Endkunden verfügbar ist. Zahlreiche Gerätehersteller - darunter auch AVM - sollen dort bereits Produkte auf der Basis von Qualcomms "Vive"-802.11ac-Chipset vorgestellt haben. Zur Consumer Electronics Show (CES) Anfang Januar 2015 in Las Vegas erwartet die Branche zahlreiche weitere Ankündigungen. Noch spannender als bei ac sind derzeit die Entwicklungen des Schwesterstandards 802.11ad, auch als "Wigig" bekannt. Anders als ac, das im 5-GHz-Band arbeitet, funkt ad im 60-GHz-Band. Charakteristisch für dieses Band sind nochmals deutlich höhere Übertragungsraten: theoretisch bis zu knapp 7 GBit/s auf einem 2 GHz breiten Kanal. Schon die Dämpfung durch die Luftmoleküle sorgt jedoch für sehr begrenzte Reichweiten, feststoffliche Hindernisse können Signale bei dieser Frequenz nicht durchdringen, selbst wenn diese durchsichtig und sehr dünn sind (etwa Glas, Folien etc.). Wigig lässt sich also als superschnelles "Ein-Raum-WLAN" beschreiben, für das es bislang keinen echten Bedarf gab. Geplante Anwendungen zur Verbindung von digitalem Video-Equipment oder als drahtlose Schnittstelle zwischen PC und Drucker erzeugten kaum Interesse, weshalb der bereits ein Jahr vor ac verabschiedete Standard bislang noch keinen nennenswerten Weg zu realen Produkten gefunden hat. Seit einer großen Sitzung des 802.11-Komitees im Mai dieses Jahres arbeitet nun eine neue Forschungsgruppe an verschiedenen Modifikationen des ad-Standards, die auch zusätzliche Einsatzfelder für ad-WLANs eröffnen sollen. Das als "Wireless Next Generation" (WNG) bezeichnete ad-WLAN soll über nochmals verbreiterte Funkkanäle, weiter verfeinerte MIMO-Technik sowie verbesserte Modulations- und Codierschemata (MCS) Spitzenraten von etwa 30 GBit/s erreichen. Als neues Einsatzfeld ist die Anbindung an die Kernnetze der Mobilfunknetz-Provider via Punkt-zu-Punkt-Backhaul-Verbindung angedacht. Mehr Breitenwirkung dürften aber Pläne zeigen, wonach ad als Picozellen-Ergänzung für ac zum Einsatz kommt. Künftige Chipsets sollen Anwendungen automatisch zwischen den beiden Funktechniken ausbalancieren. Auch dafür hat Qualcomm bereits konkrete Schritte eingeleitet. Nach der kürzlich erfolgten Übernahme des 60-GHz-Spezialisten Wilocity hat der Hersteller detaillierte Pläne für seinen neuen "Snapdragon 810"-Chip veröffentlicht. Darin finden sich unter anderem ac- und ad-Module mit so niedriger Leistungsaufnahme, dass der Chip auch für Tablets und Smartphones geeignet sein dürfte. Damit würde sich ad aus den Fängen von Routern und Laptops lösen und für den mobilen Massenmarkt schicken. Kerntechnik in der Linie klassischer 802.11-WLAN-Standards bleibt jedoch ac. Für die weitere Entwicklung jener Funkstandard-Linie hat sich in diesem Jahr die IEEE-Arbeitsgruppe ("Task Group", kurz TG) "ax" formiert. Als Nachfolger der ehemaligen Study Group "High Efficiency WLAN" (SG HEW) hat sich die TGax zum Ziel gesetzt, die maximale Übertragungsrate von ac je Kanal zu vervierfachen - im Nahbereich ebenfalls wieder ergänzt durch ad beziehungsweise einen Nachfolger davon. Eine der Schlüsseltechnologien im ax-Standard soll OFDMA (Orthogonal Frequency-Division Multiple Access) sein, das ähnlich wie das bei ac verwendete Verfahren OFDM (Orthogonal Frequency-Division Multiplexing) Daten auf mehreren Subfrequenzen kodiert, um zusätzliche Informationen in die gleiche Menge Luftraum zu packen. Der Multiple-Access-Part des Verfahrens beschreibt die Methode, nach der sich Untermengen dieser Subfrequenzen einzelnen Nutzern zuordnen lassen. Service-Beschleunigung: 802.11aq und 802.11ai Treibende Kraft soll Berichten zufolge wiederum Qualcomm sein - in diesem Fall unterstützt durch Partner wie Broadcom, Huawei und Intel. Huawei hat bereits von Verbindungsgeschwindigkeiten über 10 GBit/s im 5-GHz-Band berichtet. Für die Verabschiedung des finalen Standards hat sich die Gruppe knapp fünf Jahre Zeit gegeben, aktuell ist März 2019 angepeilt. Aber Übertragungsrate allein ist nicht alles. Woran es im WLAN bislang oft noch hakt, sind träge Diensteerkennung und lange Verbindungsaufbauzeiten. Ersteres behandelt im IEEE die TGaq, Letzteres die TGai. In beiden Gruppen sind schon deutliche Fortschritte sichtbar - die entsprechenden Standards sollen bis 2016 fertig sein. TGaq entwickelt dabei eine Technik (Pre-Association Discovery), die im Netzwerk per Bonjour oder Universal Plug and Play (UPnP) angezeigte Dienste sofort publik machen soll. Eine deutliche Beschleunigung des Verbindungsaufbaus erwarten die Ingenieure der TGai durch die Vergabe einer IPv4- oder IPv6-Adresse schon bei der Anmeldung am Access Point. Die bislang üblichen, vergleichsweise langwierigen Verhandlungen beim DHCP-Handshake sollen so überflüssig werden. Als weitere Möglichkeit der Zeitersparnis wird erwogen, allgemeine Netzinformationen innerhalb einer Funkzelle nicht mehr in Einzelverhandlungen bereitzustellen, sondern pauschal für alle. 5G: Das integrale Funknetz Spätestens seit dem vergangenen Mobile World Congress im Februar dieses Jahres gehört "5G" zu den Topthemen der funkbasierenden Kommunikation. Nominell handelt es sich dabei zwar um den Nachfolger einer Mobilfunktechnik in der Reihe von 2G (GSM), 3G (UMTS) und 4G (LTE), faktisch soll 5G jedoch einen "integralen" Funkstandard bilden, in dem alle bisher bekannten und künftig entwickelten Funktechniken gleichsam zu einem "Wireless Pool" verschmelzen. Ziel ist es, jedem Anwender im Netzwerk dynamisch immer die zu seiner aktuellen Applikation passenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen. "Jeder Nutzer gewinnt den Eindruck, das Netz sei speziell für ihn gemacht", schwärmt Marcus Weldon, President of Bell Labs bei Alcatel-Lucent, im Gespräch mit LANline. Eine ökonomische Umsetzung dieser Pläne scheint durch die gerade angelaufene Virtualisierung der Mobilfunkinfrastruktur realistisch (Stichwort: Network Function Virtualization, kurz NFV). Das Projekt "5G" ist jedoch ungleich komplexer als die Integrationsbestrebungen innerhalb von WLAN-Techniken - wie aktuell ac und ad. Nicht zuletzt sind auch die Zahl und Art der Markt-Player in einem solch umfassenden Szenario weit höher beziehungsweise unterschiedlicher als von üblichen Industrieprojekten gewohnt. Beobachter erwarten vor diesem Hintergrund keine schnellen Ergebnisse - Weldon spricht von einem "Zeitrahmen bis etwa 2020". Immerhin, die wichtigsten Eckpfeiler einer integralen 5G-Funkinfrastruktur lassen sich bereits ausmachen: immer kleinere Funkzellen, Integration aller Funktechniken wie RFID, NFC, Bluetooth, WLAN etc. (am Rande: Wimax bleibt unberücksichtigt, diese Technik steht kurz vor dem offiziellen Aus), Verlagerung der Intelligenz direkt ins Netz, Weiterentwicklung von LTE - im nächsten Schritt "Advanced LTE" sowie Entwicklung neuer Funktechniken (bislang noch nichts Konkretes). Eine andere Form der Annäherung von WLAN und Mobilfunk findet schon seit geraumer Zeit im Rahmen öffentlicher WLAN-Hotspots statt. Bisher müssen Anwender für die Verbindung zu einem Hotspot zunächst manuell das richtige WLAN-Netzwerk auswählen und sich dann mit spezifischen Einwahldaten einloggen. Das auch als "Carrier Wi-Fi" bezeichnete Verfahren "Hotspot 2.0" bietet Mobilfunkbetreibern eine wirkungsvolle Möglichkeit, die Kapazitäten ihrer Netze zu erweitern, beziehungsweise an neuralgischen Punkten Lasten auf das WLAN zu verlagern. Die Wi-Fi Alliance sorgt nun in Form ihrer "Passpoint"-Initiative für Verbreitung und normgerechte Umsetzung. WLAN vom Provider: Hotspot 2.0 Mitte Oktober dieses Jahres hat die Wi-Fi Alliance ihr Passport-Zertifizierungsprogramm erweitert. Zusätzlich zur nahtlosen Verbindung und WPA2-Sicherheit für mobile Geräte in "Wi-Fi"-Hotspots bietet Passpoint nun eine effiziente Methode, um neue Nutzerkonten einzurichten sowie um ausschließlich mit WLAN ausgestattete Geräte wie Tablets und Notebooks anzubinden. Die Wi-Fi Alliance sieht in den neuen Passpoint-Funktionen einen wichtigen strategischen Mehrwert sowohl für Festnetz- als auch für Mobilfunkbetreiber. Breitbandanbieter aus dem Festnetzsektor beispielsweise sollen nun ehrgeizige WLAN-Projekte an öffentlichen Plätzen aufsetzen oder ihre "Wi-Fi"-Reichweite mit einer steigenden Zahl an "Homespots" erweitern können. "Was die neuen Funktionen so spannend macht, ist die Tatsache, dass sie Unternehmen erlauben, die weitreichenden kommerziellen Möglichkeiten von ?Wi-Fi? effektiv für sich zu nutzen", so Edgar Figueroa, CEO der Wi-Fi Alliance. Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente