Nachhaltigkeit wird immer mehr zur Pflicht – auch für Speicherhardware. Doch um Festplatten im Sinne einer Kreislaufwirtschaft weiter zu verwerten anstatt sie zu Elektroschrott werden zu lassen, müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Allen voran eine sichere Strategie zur Löschung von Daten.
Die Datenspeicher-Branche hat über die Jahre hinweg Milliarden Terabyte an Festplattenkapazität ausgeliefert. Und die Nachfrage nach HDDs und SSDs steigt weiter rasant an. Das hat allerdings jede Menge Altlasten zur Folge. Jedes Jahr erreichen viele Festplatten das Ende ihrer Lebensdauer. Allein in Nordamerika sind es jährlich rund 22 Millionen Stück. In der EU werden derzeit schätzungsweise etwa die Hälfte aller Festplatten bei ihrer Ausmusterung zerstört. Diese enormen Mengen Abfall enthalten dabei große Mengen an wertvollen Rohstoffen wie Gold, Silber, Kupfer, Platin, Aluminium und Kobalt. Werden diese nicht recycelt, sind sie unwiederbringlich verloren.
Es besteht daher ein dringender Bedarf an einer branchenweiten, nachhaltigen Lösung nach dem Prinzip einer Kreislaufwirtschaft. Doch gerade bei elektronischen Speichermedien gibt es ein Problem: die darauf enthaltenen Daten. Sie müssen auch am Ende der Laufwerk-Lebensdauer geschützt werden und unterliegen Datenschutzgesetzen sowie den Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums.
Es braucht eine Strategie, um eine sichere Datenlöschung zu gewährleisten. So wird das Schreddern unnötig gemacht und Elektroschrott vermieden. Insbesondere beim Thema Datensicherheit gibt es Lösungen zum sicheren Löschen von Informationen auf Festplatten. Das Spektrum reicht von selbstverschlüsselnden Laufwerken bis zu Instant Secure Erase (ISE)-Funktionen. So können Festplatten durch Datenbereinigung digital gelöscht und wieder marktfähig gemacht werden. Neueste Standards wie IEEE 2883 beinhalten genaue Vorgaben, wie Daten über verschiedenste Datenträger hinweg sicher gelöscht werden sollten. Falls Unternehmen die Daten nicht selbst löschen können, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit zertifizierten Dienstleistern.
Eine zentrale Maßnahme für mehr Nachhaltigkeit ist die Verlängerung der Produktlebensdauer. Durch ein optimiertes Design und intelligentere Produktionsprozesse werden nicht nur CO2-Emissionen reduziert und weniger Ressourcen verbraucht – eine längere Lebensdauer ist auch der erste Schritt zu einem Kreislaufprinzip. Das ist wichtig, da die Wiederaufbereitung von Festplatten gegenüber Recycling 275-mal mehr CO2 einspart. Beim Produktdesign sollten dafür Schlüsselfaktoren wie modulare Komponenten, die Verwendung wiederverwertbarer Materialien sowie eine leichte Zerlegbarkeit und Aufarbeitung berücksichtigt werden. Es gilt, einen geschlossenen Materialkreislauf zu realisieren, der mit möglichst geringem Energieeinsatz eine vollständige Wiederverwertung erlaubt – ohne Downcycling. Um das zu erreichen, müssen Hersteller eng mit ihren Zulieferern zusammenarbeiten.
Die Zusammenarbeit von Storage-Herstellern mit Partnern aus der Industrie und den Supply Chains schaffen oftmals erst die Voraussetzungen für eine Wiederverwendung, Reparatur oder auch einen Wiederverkauf von Teilen und Materialien entlang der Produktionslinie von HDDs und SSDs. Darüber hinaus können auch das Fachwissen und die Netzwerke von Branchenverbänden wie die Circular Drive Initiative (CDI) entscheidend weiterhelfen. Die CDI arbeitet weltweit mit Unternehmen in den Bereichen digitale Speicherung, Nachhaltigkeit und Blockchain zusammen. Ziel ist es, Elektroschrott durch die sichere Wiederverwendung von Speicherhardware zu reduzieren oder sogar komplett zu vermeiden.
Prinzipiell befasst sich die Kreislaufwirtschaft nicht nur mit Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch, sondern auch mit der Erhaltung seltener Erden, finanziellen Einsparungen und weiteren Bereichen. Sie wird sich mit dem wachsenden Vertrauen in die sichere Datenbereinigung weiter entwickeln. Darüber hinaus müssen längerfristig nachhaltige Innovationen in die jeweiligen Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen einbezogen werden. So etwa die durch die HAMR-Technologie (Heat Assisted Magnetic Recording) ermöglichte Steigerung der Speicherkapazität von HDDs auf 32 TB und mehr, und die damit verbundene Reduktion von CO2-Emissionen pro Terabyte. Der Herstellungsprozess und der Stromverbrauch während der Lebensdauer einer 32-Terabyte-Festplatte haben damit in etwa den gleichen CO2-Fußabdruck wie eine 20-Terabyte-Festplatte. Das ermöglicht Unternehmen eine nachhaltigere und kostengünstigere Datenspeicherung, da bei ähnlichem Stromverbrauch viel mehr Daten auf einer Festplatte gespeichert werden können. Dadurch reduzieren sich die Stromkosten bezogen auf die Datenmenge erheblich. Auch indirekte Stromkosten für Kühlung oder auch der Platzbedarf im Rechenzentrum reduzieren sich somit.
Natürlich stellt sich auch die Frage nach der Profitabilität im Kontext von Maßnahmen zur Realisierung der Kreislaufwirtschaft. Hier hat sich gezeigt, dass die Beachtung von ESG-Regeln als regulativer Überbau der Kreislauf-Thematik eher zu höheren als niedrigeren Erträgen und damit zu größerem geschäftlichem Erfolg führt. Eine Verringerung des Einsatzes seltener Erden bei der Produktion wie auch eine Reduktion des Energieverbrauchs macht sich in den Bilanzen und den Umweltauswirkungen gleichermaßen positiv bemerkbar. Es kommt darauf an, beide Faktoren miteinander zu verbinden. Ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz kann kurzfristig gegenüber dem Wettbewerb ins Hintertreffen geraten – und auf der anderen Seite ein Umweltsünder abschreckend auf die maßgeblichen Stakeholder wirken sowie mit Strafen und Sperren belegt werden.
Daher kommt es auf die richtige Balance an. Diese zu erreichen und zu halten, liegt in der Verantwortung der jeweiligen Unternehmensführung. Ihre Aufgabe ist es, ESG-Investitionen des Unternehmens und die Ergebnisse kontinuierlich abzugleichen und zu analysieren. So lässt sich die Situation immer wieder neu bewerten und gegebenenfalls nachjustieren. Wichtig ist es, Greenwashing zu vermeiden. Transparenz und Aufrichtigkeit sind hier erste Unternehmenspflicht – und natürlich besondere Sorgfalt, unter anderem hinsichtlich der Lieferketten. Die EU-Kommission fordert, dass bis 2030 europäische Rechenzentren klimaneutral sein sollen. Die Realisierung eines echten Kreislaufsystems für Datenspeichermedien kann hier einen großen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten – auch im Hinblick auf eine gesicherte Unternehmens-Profitabilität und -Reputation.
Hugo Bergmann, Senior Product Marketing Manager Enterprise Systems and Sustainability, Seagate