Die Lösung des Dilemmas sieht Heidl darin, dass man das Netzwerk vom Rest der Applikation trennt. Er bringt einen Vergleich: „Früher hatte jeder Werkzeugmaschinenbauer auch seinen eigenen Schaltschrankbau. Dabei waren die Schaltschränke der einzelnen Unternehmen austauschbar. Darin steckte nicht das wesentliche Know-how. Als die Maschinenbauer bereit waren, diesen Teil der Aufgabe auszulagern, konnten sie sich wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren. Gleichzeitig konnte der Schaltschrankbauer kostengünstiger liefern und so sparten Anwender im Gesamtprojekt sogar Geld.“
Die Automatisierungstechnik in Deutschland braucht Digitalisierung dringender denn je. Aus Sicht der Wirtschaftlichkeit und dem schonenden Umgang mit Ressourcen gilt es jede Menge Potenzial in heutigen Automatisierungsanlagen zu heben. Bezahlbar einrichten oder nachrüsten und dann auch betreiben lässt sich Digitalisierung aber nur, wenn das bereits vorhandene OT-Netzwerk für die Digitalisierung mit genutzt wird. Keine Innenstadt würde auf die Idee kommen, für die LKW des örtlichen Paketzustellers nachträglich eigene Straßen parallel zum bestehenden Straßennetz zu bauen. Insbesondere dann nicht, wenn die vorhandenen Straßen nicht überlastet sind. Das trifft die Situation des OT-Netzwerkes sehr gut.
„Moderne Anlagen empfehlen wir mit Blick auf die Zukunft mit einem Gigabit-Backbone auszulegen, aber auch bei Brownfield-Anlagen mit 100 MBit/s stört es den zuverlässigen Betrieb der Anlage normalerweise nicht, wenn man per SNMP Informationen etwa aus den Sensoren und Aktoren ans SCADA-System überträgt“, sagt Heidl. „Man muss allerdings wissen, was man tut.“ Ergo: Nutzt man die vorhandene Kommunikationsinfrastruktur richtig, lassen sich Digitalisierungskonzepte kostengünstiger realisieren als viele denken. Das Auslagern der Netzwerkplanung an externe Experten kann der entscheidende Schritt in Richtung erfolgreiche Digitalisierung sein.
Dipl.-Ing. (FH) Nora Crocoll und Dipl.-Wirt. Ing. (FH) Alex Homburg sind für das Redaktionsbüro Stutensee tätig.