Störerhaftung

Bitkom kritisiert Telemediengesetz scharf

18. September 2015, 22:27 Uhr | Folker Lück
© Netgear

Das Bundeskabinett hat das heftig umstrittene WLAN-Gesetz ohne Änderungen verabschiedet. Händler und zahlreiche Verbände klagen: Damit werden neue Hürden für die Nutzung offener WLAN-Zugänge aufgebaut.

Der Branchenverband Bitkom kritisiert die vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) massiv. Zwar sollte das Gesetz eigentlich dazu beitragen, die Verbreitung öffentlicher WLAN-Zugänge zu verbessern indem Hotspot-Betreiber von der so genannten Störerhaftung befreit werden. Doch nach Einschätzung vieler Händler und verschiedener Verbände ist das Ergebnis absolut mangelhaft.

WLAN-Anbieter sollen sich unter bestimmten Voraussetzungen auf das Haftungsprivileg für Provider aus dem Telemediengesetz (TMG) berufen können. Es besagt, dass sie für Rechtsverletzungen anderer nicht schadensersatzpflichtig sind und sich nicht strafbar machen. Zudem will das Bundeskabinett mit dem Gesetz klarstellen, dass Betreiber nicht auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden könnten. Sie müssen dafür aber »zumutbare Maßnahmen« ergreifen, um insbesondere Urheberrechtsverstöße durch Dritte zu verhindern.

Für die Betreiber öffentlicher Hotspots bedeutet das, dass sie an jeden Nutzer Zugangscodes vergeben müssen. »Es sollte ausreichen, dass Nutzer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des öffentlichen WLANs bestätigen«, schimpft Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Dieses Verfahren habe sich bewährt. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland wegen der Störerhaftung deutlich weniger öffentliche WLAN-Hotspots als zum Beispiel in Großbritannien, Schweden oder Frankreich. Laut einer Bitkom-Umfrage gehen nur vier von zehn (39 Prozent) Internetnutzern außerhalb der eigenen vier Wände per WLAN ins Netz.

Besonders kritisch sieht der Bitkom eine weitere Änderung im TMG, die eine Verschärfung der Haftung für so genannte Host-Provider vorsieht. Damit will die Bundesregierung Urheberrechtsverletzungen eindämmen. Als Host-Provider gelten Online-Plattformen, die Inhalte für ihre Nutzer speichern, zum Beispiel Cloud-Speicherdienste oder soziale Netzwerke. Bisher müssen die Dienste für illegale Inhalte auf ihrer Plattform nicht haften und diese nur unter bestimmten Voraussetzungen entfernen. In Zukunft sollen so genannte »gefahrgeneigte Dienste« immer haften. Um diese identifizieren zu können, legt das Gesetz verschiedene Kriterien fest. Von einem illegalen Angebot sei auszugehen, wenn zum Beispiel die »weit überwiegende Zahl der gespeicherten Informationen« rechtswidrig verwendet wird oder der Anbieter »vorsätzlich die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert«.

Aus Sicht des Bitkom wird diese Regelung nicht dazu führen, Urheberrechtsverstöße einzudämmen oder gar zu verhindern. »Das Problem sind nicht die geltenden Gesetze, sondern deren Durchsetzung«, sagt Rohleder. »Illegale Plattformen sind in der Regel nicht in Deutschland angesiedelt. Die für den Service notwendigen Server stehen in nahezu allen Fällen unerreichbar im Ausland«. Das mache es schwer, die Dienste vom Netz zu nehmen.

Mit der beschlossenen Neuregelung wird nun ein enormer Aufwand für die legalen Host-Provider in Kauf genommen, weil diese nun anhand der aus Bitkom-Sicht schwammig formulierten Kriterien nachweisen müssten, dass sie nicht illegal handeln. Zudem ist die geplante Regelung aus Sicht des Bitkom EU-rechtswidrig. Dies bestätigen renommierte Wissenschaftler und Experten auf diesem Rechtsgebiet.

»Host-Provider werden unter Generalverdacht gestellt, Verstöße gegen das Urheberrecht zu dulden oder sogar zu fördern«, kritisiert Rohleder. Das sei der falsche Weg, wenn man gleichzeitig digitale Geschäftsmodelle fördern will. Rohleder: »Wir müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch in Deutschland große Online-Plattformen aufgebaut werden können. Diese Gesetzesänderung ist kontraproduktiv und schadet dem Digitalstandort Deutschland massiv«.


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