30 Jahre E-Mail

"Die E-Mail hat eine ähnliche Bedeutung wie einst die Erfindung des Buchdrucks"

18. Dezember 2014, 11:16 Uhr | Diana Künstler, Redaktion funkschau
Jan Oetjen, Geschäftsführer von Gmx und Web.de
© Gmx

Vor 30 Jahren begann in Deutschland die E-Mail-Ära. Am 3. August 1984 um exakt 10.14 Uhr wurde in Karlsruhe erstmals überhaupt eine elektronische Nachricht geöffnet. funkschau im Interview mit Jan Oetjen, Geschäftsführer der deutschen Mail-Anbieter Gmx und Web.de, über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der E-Mail.

funkschau: Herr Oetjen, können Sie sich noch an Ihre erste E-Mail erinnern?

Jan Oetjen: Ja, sehr gut sogar. Das war Mitte der 1990er Jahre an der Uni. Damals bekam man die E-Mail-Adresse noch zugewiesen – und die war oft länger als der Inhalt der meisten Mails.

funkschau: Wenn Sie zurückblicken: Wie hat sich die E-Mail seit den frühen Gehversuchen im Jahr 1984 verändert?

Oetjen: Die Entwicklung der E-Mail erinnert an die Lebensphasen des Menschen. Zehn Jahre steckte sie in den Kinderschuhen, war primär an Universitäten verbreitet. Mit der Pubertät setzte dann das wilde Wachstum ein. Für den Durchbruch sorgte das Aufkommen kostenloser Angebote. Während in den 1990ern anonyme Absender-Adressen wie „Supermikey2000@web.de“ dominierten, wird das Medium seit der Jahrtausendwende weitgehend personalisiert genutzt. Dies war die Basis für eine stärkere Professionalisierung der E-Mail-Kommunikation, die inzwischen immer häufiger auch über mobile Endgeräte erfolgt.

funkschau: Ray Tomlinson, der geistige Vater der Technik, hielt seine Erfindung zunächst nur für eine „niedliche“ Idee. Welchen Stellwert nimmt die E-Mail Ihrer Meinung nach heute ein?

Oetjen: Ohne E-Mail geht im Internet fast nichts. Sie können sich weder für Online-Dienste registrieren noch Apps kaufen, Newsletter abonnieren oder etwas bestellen. Das elektronische Postfach ist der Schlüssel zu allen anderen Angeboten und verbindet circa drei Milliarden Menschen weltweit. Das hätte man damals wahrscheinlich so nie erwartet. Insofern hat die E-Mail eine ähnliche Bedeutung wie einst die Erfindung des Buchdrucks.

funkschau: Im Unternehmensalltag hat die E-Mail auch immer mehr an Bedeutung gewonnen...
Oetjen: Die E-Mail hat die Geschwindigkeit von Arbeitsprozessen massiv revolutioniert. Man kann mehrere Kollegen gleichzeitig informieren, Dateien und Dokumente direkt weiterleiten. Außerdem ist es meist wesentlich bequemer, eine Nachricht zu schreiben, als jemanden anzurufen. Die mobile Nutzung hat gerade in der Geschäftswelt noch einmal für einen zusätzlichen Schub gesorgt. Heutzutage trägt praktisch jeder das E-Mail-Postfach mit sich in der Hosentasche herum.

funkschau: Der Wettbewerb ist jedoch hart. Inwiefern fürchten Sie, dass die E-Mail von Konkurrenzan-geboten verdrängt werden könnte?

Oetjen: Im Laufe der Jahre trachtete der E-Mail schon so mancher nach dem Leben: „Facebook“ hat die Messenger auf dem Gewissen, gab aber die eigenen E-Mail-Pläne schnell wieder auf, „WhatsApp“ ersetzt die SMS – aber die E-Mail behauptet sich nach wie vor als das mit Abstand beliebteste Kommunikationsmittel im Web. Seit Erfindung der E-Mail gab es keinen Zeitraum, in dem das gesamte E-Mail-Aufkommen nicht gewachsen wäre.

funkschau: Also ist die E-Mail kein Auslaufmodell?

Oetjen: Im Gegenteil. Experten prognostizieren, dass die Zahl der täglich verschickten E-Mails bis 2018 weltweit auf fast 230 Milliarden steigt. Bei den Accounts wird mit einem Plus auf über fünf Milliarden gerechnet. Vor allem der Kontakt mit Firmen und Behörden dürfte deutlich zunehmen.

funkschau: Den Brief hat die E-Mail aber trotzdem nicht vollständig ersetzt.

Oetjen: In der privaten Kommunikation hat die E-Mail den Brief längst abgelöst. In diesem Jahr werden unseren Schätzungen zufolge allein in Deutschland 504,4 Milliarden echte Mails verschickt – 6,9 Prozent mehr als 2013. Wenn man dies den rund 16 Milliarden Briefen im Jahr gegenüberstellt, dann ist das gigantisch. Da die E-Mail dem Brief rechtlich nicht gleichgestellt ist, war es bisher jedoch oftmals erforderlich, in der Kommunikation mit Behörden oder Unternehmen auf die Papierpost auszuweichen. Mit De-Mail wird sich aber auch hier die Digitalisierung immer stärker durchsetzen.


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