2017 waren laut Bitkom 72 Prozent aller Mitarbeiter in der IT Männer. Doch anstatt dies als ein Geschlechter-Problem abzutun, sieht Anna Kopp darin eine Gelegenheit. Die Möglichkeiten für Frauen in dieser Branche seien besser denn je, davon ist die Head of IT von Microsoft Deutschland überzeugt.
funkschau: Frau Kopp, in einer von Männern dominierten Branche leiten Sie die IT eines der größten Technologie-Unternehmens des Landes. Wie kommt das?
Kopp (lacht): Und dazu auch noch als Ausländerin! Zur IT-Branche und speziell auch zu diesem Job bin ich eigentlich mehr aus Zufall gekommen. Ursprünglich habe ich Ägyptologie studiert – nur um dann festzustellen, dass es lediglich drei Jobs in Schweden in diesem Umfeld gibt. Also studierte ich International Business und landete über eine Zeitarbeitsfirma bei einem der zu der Zeit größten Technologie-Unternehmen, das die ersten 3D-Computer herstellte. Das war damals eine ganz andere Welt, die mich aber sehr schnell faszinierte. Ich habe im Vertrieb gelernt, gut zu argumentieren, hartnäckig zu bleiben und mich durchzusetzen. Vielleicht hat mir die „harte Schule“ der klassischen Telesales
geholfen, meine Ziele zu verfolgen und nicht aufzugeben. Das ist sicherlich ein Faktor, der im Job hilfreich ist – in allen Branchen.
funkschau: Was genau sind Ihre Aufgaben derzeit bei Microsoft?
Kopp: Meine interne Rollenbezeichnung ist „IT Business Partner“ – das bedeutet, dass mein Job kein klassisch technischer ist, sondern ein Business-Job. Ein großes Thema ist für mich beispielsweise die Umsetzung von Smart-Building-Lösungen hier in unserer Deutschlandzentrale in Schwabing. Zum Beispiel haben wir die Seifenspender mit Sensoren ausgestattet, die auf unserer deutschen Azure Cloud laufen. Die Azure Cloud ist aktuell eines unserer Top-Themen. Daher möchte ich in meiner Position als Geschäftsstellenleiterin und Head of IT dazu beitragen, dass wir diese Strategie auch im eigenen Haus verfolgen.
funkschau: Würden Sie sagen, Sie bringen als Frau bestimmte Fähigkeiten in Ihren Job ein, die Männer nicht haben?
Kopp: Tatsächlich denke ich, dass sich die Arbeitsweisen von Männern und Frauen unterscheiden. Beispielsweise arbeiten Männer oft kompetitiver und erreichen schnell kurz- und mittelfristige Ziele. Frauen wiederum können sich schneller wechselnden Gegebenheiten anpassen und haben mehr Weitblick.
funkschau: Und was zeichnet Sie persönlich aus?
Kopp: Ich polarisiere. Es ist mir wichtig, Eindruck zu hinterlassen und so für die Menschen in meinem Arbeitsumfeld präsent zu sein. Insbesondere Frauen scheint es schwerer zu fallen, diese Art Präsenz zu zeigen, weil viele von uns so eine gewisse „Grund-Humbleness“ (Anm. d. Red.: zu Deutsch Demut) haben. Ich möchte andere inspirieren, sich zu trauen, sich durchzusetzen und Mut zu zeigen! Das müssen auf jeden Fall noch mehr Frauen lernen.
funkschau: Wie schaffen Sie es, stets zu polarisieren? Müssen Sie sich permanent verstellen?
Kopp: Verstellen ist meiner Meinung nach das falsche Wort. Wir tragen alle Masken – sei es zuhause, mit Freunden oder auf der Arbeit. Wir tragen verschiedene Facetten in uns, die wir mehr oder weniger stark in verschiedenen Situationen zeigen. Wichtig ist dabei aus meiner Sicht, sich mit sich selbst zu beschäftigen und diese Facetten zu kennen. Man muss einfach dazu stehen. Selbstreflexion und -kenntnis sind wichtige Fähigkeiten für Führungskräfte: Nur, wer sich selbst kennt, kann überhaupt andere Menschen anleiten.
funkschau: Hat die IT-Branche ein Gender-Problem? Oder anders gefragt: Ist die geringere Anzahl an Frauen in der IT überhaupt ein Problem?
Kopp: Ich denke, die geringere Anzahl an Frauen in der IT ist eher eine „Gender-Opportunity“ – eine große Gelegenheit für uns, zu wachsen. Generell sehen wir aktuell einen akuten Fachkräftemangel in Deutschland und der „War for Talents“ in der IT ist entsprechend groß. Zusammen mit der größeren Flexibilität durch den Wandel der Arbeit sind die Möglichkeiten für Frauen besser denn je.