Forderung nach mehr Innovationskraft

Ein Label unter Zugzwang

30. Juli 2018, 11:35 Uhr | Autor: Claudia Welker / Redaktion: Diana Künstler

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wer führt die Marke?

Top Ten Brands Germany
Die Top Ten Brands Germany: Deutsche Marken gelten als zuverlässig, aber auch als ein wenig langweilig. So lässt sich das Ergebnis des Markenrankings der Marktforscher von Kantar Millward Brown speziell für deutsche Unternehmen zusammenfassen.
© BrandZ, Kantar Millward Brown, 2018

Wenn „Made in Germany“ zu Recht als Marke angesehen wird, so gilt es die Frage zu stellen, wer eigentlich den größten Einfluss auf die Markenführung nehmen kann. Es sind Bundesregierung und Wirtschaftsverbände, die einen großen Hebel ansetzen können. Doch bereits an Details zeigt sich, wie unreflektiert die Beschädigung einer einstmals starken Marke voranschreitet. Ein Beispiel: Als im Zuge des Bologna-Prozesses die universitäre Ausbildung neu geordnet wurde, bedeutete dies auch das Ende der Marke „Diplom-Ingenieur“. Neben dem „Made in Germany“ war es auch dieses Label, das den Mythos deutscher Ingenieurskunst weltweit beförderte. Es geht dabei gar nicht um die Frage, ob die Ausbildung seitdem schlechter geworden ist. Vielmehr ist hier ganz einfach und ohne Not eine vertraute, vertrauensvolle und damit äußerst wertvolle Marke eingestellt worden.

Innovation des Bestehenden
Die Unterstützung der Bundesregierung für eine Automobilindustrie, die ihre Innovationskraft auf zumindest fragwürdige Abschaltvorrichtungen und die Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin lenkt, puffert den Veränderungsdruck ab. Unter diesem Druck entwickeln andere Unternehmen in anderen Ländern neue Mobilitätskonzepte und bringen neue Antriebe in Serie, statt aus einer über 100 Jahre alten Technologie das Letzte herauszupressen. Zu häufig bedeutet „Innovation“ in etablierten Branchen nur eine Evolution des Bestehenden, anstatt wirklich neue Produkte zu schaffen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Deutschland beim Thema Industrie 4.0 gut aufgestellt ist. Digitalisierung auf Produktionsanlagen anzuwenden, ist sicherlich ein konsequenter Schritt. Aber auch dieser Schritt ist irgendwann einzuholen. Der deutsche Begriff Industrie 4.0 ist wichtig, aber dann eben doch zu eng, um die Dynamik der Digitalisierung abzubilden.

Die wirklich großen Neuerungen und disruptiven Geschäftsmodelle werden anderswo entwickelt. Es sind Orte, und Regionen außerhalb Deutschlands, wie das Silicon Valley, an denen sich die Innovatoren auf gewandelte Kundenbedürfnisse und damit ein geändertes Qualitätsverständnis eingestellt haben. Es sind Regionen, welche die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Dies umfasst sowohl Aspekte wie die notwendige technische und logistische Infrastruktur als auch neuartige Bildungskonzepte und Finanzierungsmodelle sowie einen entsprechenden Risikoappetit.

Kein Abgesang auf „Made in Germany“
Was ist in Deutschland zu tun? Sicherlich wäre es falsch, einfach nur die Entwicklung zu bedauern und lediglich in den Abgesang auf den deutschen Wirtschaftsstandort einzustimmen. Die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft und auch die Politik darf sich nicht weiter auf vergangenen Erfolgen und Stärken ausruhen. Was China mit dem Qualitätsprogramm „Made in China 2025“ erkannt und initiiert hat, wäre in modifizierter Form auch für Deutschland dringend notwendig. „Made in Germany 2025“ – warum denn nicht? Beginnen müsste ein solches Projekt mit einem Perspektivwechsel und mit der Frage, inwieweit der Begriff „Made in Germany“ noch zeitgemäß ist. Ist das Herkunftslabel tot? Sollen wir es vergessen? Nein, denn es ist letztlich gar nicht der Terminus, der das Problem darstellt. Vielmehr wird der Ausdruck zu eng gefasst. Oder um es anders zu sagen: Wir brauchen zunächst einmal ein neues Konzept von dieser Marke. „Made in“ hieße in dieser Hinsicht nicht mehr in erster Linie „produced in“, sondern würde den Obergriff für verschiedene Facetten wie „engineered in“, „innovated in“ und „designed in“ bilden. Es ginge auch um einen Qualitätsanspruch im Sinne eines „Quality made in Germany“. Hinzu kämen weitere Aspekte wie Nachhaltigkeit oder eine ethische und menschenzentrierte Sichtweise, die dieses Qualitätsverständnis prägen.

Ein solch erweitertes Verständnis von „Made in Germany“ könnte als Zielbild fungieren, dem sich Gesellschaft, Wirtschaft und auch die Politik in Deutschland gemeinsam verpflichten. Und um den Gedanken in Zeiten des wachsenden Protektionismus, einer drohender Handelskrise und des zunehmenden politischen Populismus noch weiterzuspinnen: Ein solches Qualitätsverständnis, ein solcher Begriff von „Made in Germany“ könnte irgendwann einmal als Vorbild für ein „Made in Europe“ dienen, das als Qualitätsversprechen eines großen kontinentalen Wirtschaftsraums ein bewusstes Zeichen gegen die skizzierten negativen Tendenzen setzt. Ein solches „Made in Europe“ wäre keinesfalls Ersatz oder Nachfolger eines „Made in Germany“, sondern dessen vornehmster Ausdruck.

Claudia Welker, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ)

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