Made in Germany

Das Qualitätssiegel als Selbstläufer?

4. Juli 2019, 9:33 Uhr | Autor: Claudia Welker / Redaktion: Diana Künstler
© Bild: funkschau / Quelle: 123rf

"Made in Germany" genießt als Herkunftslabel nach wie vor nicht nur bei deutschen Verbrauchern einen guten Ruf. Doch Aspekte wie fehlende Innovationskraft, zu wenig Geschäftsmodelle für die Digitalisierung und eine steigende Zahl an Produktrückrufen kratzen am Image des Labels.

Es ist noch immer ein beherrschendes Thema in den deutschen Medien: der Brexit. Noch lange sind nicht alle Folgen eines Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der EU abzusehen. Dennoch scheint es das deutlichste Signal eines Reputationsverlustes zu sein, welches das Friedens- und Wohlstandsprojekt „Europa“ in Zeiten wachsenden Populismus erfahren hat. Die Gründe für diesen Vertrauensrückgang sind vielfältig. Hinsichtlich eines Herkunftslabels wie „Made in Germany“ ruft der Brexit jedoch vor allem zwei Aspekte in Erinnerung: Erstens verdanken wir dieses Qualitätssiegel ebenfalls England. So war es der 1887 vom englischen Parlament verabschiedete Merchandise Marks Act, der eine genaue Herkunftsbezeichnung importierter Waren forderte. Der heimische Markt sollte vor minderwertigen Waren aus dem Ausland geschützt werden. Dass mit diesem verpflichtenden Siegel letztlich das Markenzeichen für den späteren weltweiten Ruf deutscher Qualitätsprodukte geschaffen wurde, konnte damals freilich kaum jemand ahnen. Zweitens darf man sich auf seinem guten Ruf – wie ihn die EU trotz aller unterstellter Bürokratie zumindest bei den politischen Entscheidungsträgern lange hatte – nicht ausruhen. Es dauert vergleichsweise lange, um eine hohe Reputation aufzubauen. Es ist schwierig sie aufrechtzuerhalten. Sie geht dafür aber auch sehr schnell wieder verloren. Dies sollte auch eine Warnung an ein Qualitätssiegel wie „Made in Germany“ sein.

Garant für Qualität, nicht für Innovation
Das Herkunftslabel „Made in Germany“ genießt zweifellos noch einen guten Ruf, der aber eher aus Kriterien wie „Zuverlässigkeit“, „Langlebigkeit“ oder „Sicherheit“ resultiert. Dies sind alles Facetten eines klassischen Qualitätsbegriffs, welcher auf den Produktionsbereich gemünzt ist. Für eines steht „Made in Germany“ jedoch schon länger nicht mehr und das ist Innovation. Die Fähigkeit, echte Neuerungen zu schaffen, scheint der deutschen Wirtschaft immer mehr abhanden zu kommen. Das Bestehende zu optimieren, ist nach wie vor eine deutsche Tugend, aber sie reicht nicht mehr aus. Andere Nationen holen auf. Das beste Beispiel ist China: Längst besteht die mittel- bis langfristige Strategie im Reich der Mitte darin, hochtechnologische Schlüsselbranchen zu besetzen und „Made in China“ auch zu einem Qualitätssiegel aufzubauen.

Keine Zeit für Perfektion 
Vollkommen Neues zu schaffen, diese Kompetenz scheint sich zunehmend in die USA oder nach Asien zu verlagern. Innovationen finden dabei immer seltener im Bereich der klassischen Produktion und dabei immer häufiger im Zuge der Digitalisierung statt. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Geschäftsmodell, Kundenanforderungen, Produkte und auch den Qualitätsbegriff. Geänderte Rahmen-bedingungen wie beispielsweise Globalisierung oder Digitalisierung, verändern nicht nur Kundenerwartungen und verkürzen Produktlebenszyklen. Sie stellen Gesellschaften und Unternehmen vor große Herausforderungen. Produkte werden nicht mehr immer ausentwickelt und perfektioniert, sondern kommen immer öfter als Beta-Version – fast noch im Stadium eines Prototyps – auf den Markt. Verbessert werden sie dann durch Patches, Updates oder Upgrades. Diese Vorgehensweise folgt schon lange nicht mehr der klassischen Sichtweise, ein Produkt erst nach langer Entwicklungszeit und intensivsten Tests als marktreif einzustufen. Doch auch mit diesem Trend bedient der Markt lediglich einen bestehenden Bedarf, den er mittels neuer technologischer Möglichkeiten zuvor selbst mitverursacht hat. Ein Beispiel: Vielen Kunden ist es nicht (mehr) wichtig, ein Handy mit möglichst langer Lebensdauer zu erwerben, wenn sie spätestens nach zwei Jahren wieder das neueste Modell mit noch mehr technischen Features erhalten möchten. Was letztlich immer mehr zählt, ist die vom Kunden erlebte Qualität (perceived quality) und nicht das vom Unternehmen als vermeintlich perfekt definierte Produkt.

Made in Germany erweitern
Die Globalisierung führt dazu, dass Lieferketten sich zunehmend internationalisieren. Die Zahl der beteiligten Akteure steigt. Qualität entsteht meist nicht durch Einzelne, sondern erwächst aus der Vernetzung vieler. Das heißt auch, dass nur noch Teile der Wertschöpfung in Deutschland stattfinden. Unter dieser Perspektive wird auch das klassische Verständnis von „Made in Germany“ zunehmend fragwürdig. Es muss – als ein erster Schritt – ergänzt werden. Es beginnt damit, das „Made in“ nicht mehr nur als „produced in“ zu verstehen, sondern ebenfalls als „designed in“, „engineered in“ oder „invented in“. 

Zusammenfassen lässt sich diese nur beispielhafte Aufzählung in der Formel „Quality made in Germany“. Doch was hieße das? In letzter Konsequenz bedeutete dies, die gesamte Qualitätsinfrastruktur auf dieses Ziel eines erweiterten Begriffs von „Made in Germany“ auszurichten. 

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