Ein Qualitätsleitbild für Deutschland

Geiz-ist-geil-Mentalität bedroht die deutsche Wirtschaft

30. Juli 2015, 11:04 Uhr | Udo Hansen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ)
© Fotolia, Jogyx

Die Marke "Made in Germany" hat in den letzten Jahrzehnten diverse Krisen erfahren und gemeistert. Die Globalisierung und der zunehmende Wettbewerb aus Fernost zählen zu den Herausforderungen, denen die Marke im 21. Jahrhundert begegnen muss. Wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit des Qualitätslabels geht, fürchten deutsche Unternehmen jedoch nicht nur die internationale Konkurrenz. Auch gesellschaftliche Trends, die sich in Deutschland abzeichnen, machen ihnen zu schaffen. Was muss getan werden, damit "Made in Germany" auch in zwanzig Jahren noch unangefochtener Qualitätsgarant ist?

Produkte "Made in Germany" genießen im Ausland ein hohes Ansehen. Verbraucher dort sind oft bereit, einen angemessenen Preis für Premium-Produkte zu zahlen. In Deutschland hingegen sinkt diese Bereitschaft. Aus Sicht deutscher Unternehmen stellt eine solche Einstellung eine Bedrohung dar: 73 Prozent halten eine um sich greifende Geiz-ist-geil-Mentalität sogar für die größte Gefahr für ihren Erfolg am Markt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der DGQ, die in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW) durchgeführt worden ist. Ähnlich kritisch sehen Unternehmen das Nachlassen deutscher Tugenden wie Fleiß, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit oder auch die abnehmende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Jeweils 71 Prozent der Unternehmen betrachten auch diese Trends als Bedrohung.

Ein Qualitätsleitbild für Deutschland
Neben einer sich ändernden Grundeinstellung wird auch die Definition von Qualität in Zukunft eine andere sein. Neue Aspekte fließen in die Bewertung eines Produktes mit ein. Im Vordergrund stehen dabei Fragen der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit, aber auch die der Anpassung von Produkten an individuelle Kundenwünsche. Ein weiterer Punkt, der in den nächsten Jahren deutlich stärker gewichtet werden wird, ist der der Innovativität. Deutsche Unternehmen können von diesen Trends profitieren – vorausgesetzt sie erkennen sie frühzeitig und reagieren schnell darauf.

Fest steht: Damit die Marke "Made in Germany" auch in zwanzig Jahren noch ein entscheidender Wettbewerbsdifferenziator der deutschen Wirtschaft ist, müssen wichtige Weichen bereits heute gestellt werden. Die DGQ hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und im Rahmen eines zweijährigen Diskurses mit Stakeholdern aus Wirtschaft, Politik und Bildung ein Qualitätsleitbild für Deutschland entwickelt. Dieses definiert verschiedene Handlungsfelder, in denen Deutschland aktiv werden muss, um die Strahlkraft der Marke zu erhalten. Dazu gehört unter anderem die Stärkung der Qualitätskompetenz auf Seiten der Verbraucher. Der bereits erläuterten Geiz-ist-geil-Mentalität ist gezielte Aufklärungsarbeit entgegenzusetzen, die Verbraucher und Geschäftskunden befähigt, Qualität zu erkennen und wertzuschätzen. Dazu gehört es nicht nur, proaktiv zu kommunizieren, was Qualität impliziert und welche Bedeutung sie für den Standort Deutschland hat. Vielmehr müssen Unternehmen und Organisationen ihre hohen Qualitätsstandards immer wieder in den Fokus des öffentlichen Diskurses stellen. Die Wirtschaft muss selbstbewusst und deutlich aufzeigen, was auf diesem Gebiet in Deutschland jeden Tag aufs Neue geleistet wird – eine Arbeit, deren Wert sich auch in einem entsprechenden Preis widerspiegeln muss.

Einen weiteren Schwerpunkt legt das Qualitätsleitbild auf das Kraftfeld aus Qualität und Innovation. Die beiden Aspekte dürfen nicht unabhängig voneinander gedacht werden. Deutsche Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass Innovation ausschlaggebend für den Erfolg ihrer Produkte und die Wahrnehmung als Premium-Anbieter sein wird. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Qualitätsaspekt immer berücksichtigt werden muss. Entsprechende Produkte setzen sich nur dann durch, wenn sie die Qualitätsansprüche der Kunden erfüllen. Innovation erfordert zudem eine gewisse Risikobereitschaft auf Seiten der Unternehmen. Sie müssen Veränderungen vorwegdenken. Wer angesichts des starken internationalen Wettbewerbs nur auf diese reagiert, hat das Nachsehen. Oftmals wirken dabei eingefahrene Strukturen, Methoden und Prozesse als Innovationsbarrieren. Um schnell auf Marktanforderungen reagieren zu können, müssen diese flexibel gestaltet sein.

Fazit
Die Marke "Made in Germany" steht seit Jahrzehnten für Premium-Qualität und hat schon viele Krisen überstanden. Es gilt das enorme Potenzial der Marke aktiv für die Gestaltung der deutschen Wirtschaftskraft zu nutzen und sie im Hinblick auf Aspekte wie Nachhaltigkeit, Innovationsfähigkeit und Kundenverständnis weiterzudenken. Um den neuen Herausforderungen zu begegnen, müssen Wirtschaft, Politik und Bildungseinrichtungen an einem Strang ziehen. Gemeinsame Initiativen und eine klare gemeinsame Zukunftsvision werden die Marke "Made in Germany" in die Zukunft führen.

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