CRN 43 / 2014

IT-Gipfel ohne Fundament

22. Oktober 2014, 13:34 Uhr | Peter Tischer
Die CRN 43 /2014 ist erschienen
© ICT CHANNEL

Um die Kulturtechniken des Digitalen ist es in Deutschland schlecht bestellt. Während in der IT-Branche Hundertausende Arbeit finden, fehlt ein digitales Bildungskonzept in Deutschland bislang.

Editorial

In keinem anderen Land ist die Kluft zwischen Außenseitern und Profiteuren der Digitalisierung so groß wie in Deutschland. Seit Jahren warnen zahlreiche Initiativen vor der digitalen Spaltung unserer Gesellschaft, doch die Mahnungen verpuffen, der Graben ist seither noch tiefer geworden. Die Hightech-Branche hierzulande beschäftigt mehr als 950.000 Menschen und hat in den letzten fünf Jahren 100.000 neue Jobs geschafften. Die IT-Branche ist nach dem Maschinenbau der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland, in IT-Unternehmen hierzulande arbeiten mehr Menschen als etwa in der Elektronik- oder der Automobilindustrie, stellt Bitkom-Präsident Dieter Kempf fest. Und doch läuft etwas grundlegend verkehrt: Während die zunehmende Vernetzung in der IT-Branche als Revolution und ökonomischer Glücksfall gefeiert wird, steht ein Großteil der deutschen Bevölkerung - digital gesehen - auf dem Abstiegsplatz.

Um die Kulturtechniken des Digitalen ist es nämlich in Deutschland schlecht bestellt. Internet, Mails oder moderne Kommunikation wie Chats beherrschen nur vier von zehn Deutschen souverän. Für den Rest ist das alles »Neuland«, wie Bundeskanzlerin Merkel einmal richtig beobachtete. Es war die Hightech-Avantgarde mit ihrer digitalen Arroganz, die Merkel mit Spott und Hohn überzog. Denen sei gesagt: Nur die Bewohner von Kroatien, Bulgarien, Rumänien und der Türkei weisen noch schlechtere Internetkenntnisse als die Deutschen auf.

Im Ergebnis wie in der Ursachenforschung werden seit Jahren die gleichen Diagnosen gestellt - mehr aber auch nicht. Der Bitkom und die IT-Branche sehen einmal mehr Grundschulen in der Pflicht, der Staat verweist zum x-Mal auf eine Digitale Agenda, während Ministerien um Kompetenzen und Köpfe streiten, die Fachverstand vermissen lassen. Und so versammelten sich am vergangenen Dienstag in Hamburg erneut Politik und Spitzenmanager aus der IT-Branche zum Nationalen IT-Gipfel. Viel Rhetorik, wenig Rezepte und fast keine konkreten Schritte, wie eine Teilhabe der Bevölkerung an einer digitalen Gesellschaft sichergestellt werden kann. Chancen in der Digitalisierung kann man auch zerreden und zwar vorbildlich, wie der IT-Gipfel ohne Fundament zeigte.

Mit den besten Grüßen

Martin Fryba

CRN-Chefredakteur


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