Grundsätzlich scheint Deutschland unter der kurzfristigen Perspektive recht gut gewappnet für die Gegenwart. Die Umfrage über die Länderlabel bestätigt das Image als Qualitätsführer. „Made in Germany“ kann sich derzeit gut gegen „Made in USA“ behaupten.
Ist also alles in Ordnung am Wirtschaftsstandort Deutschland? Auf den ersten Blick wirkt es so. Beim Image gibt es jedoch immer eine Herausforderung. Es baut sich nur allmählich und über längere Zeiträume auf. Es beruht somit stark auf vergangenen Erfahrungen und bildet damit einen Status quo ab. Singuläre Ereignisse allein, etwa die Verfehlungen bedeutender deutscher Konzerne, führen zwar offensichtlich nicht dazu, das Image nachhaltig zu schwächen. Dennoch ist es gefährlich, wenn sich diese Ereignisse häufen. Befindet es sich erst einmal im Sinkflug, bedarf es zur Trendumkehr erheblicher Anstrengungen. Dies führt zu der längerfristigen Perspektive und der Frage: Ist Deutschland als Wirtschaftsstandort gut gerüstet für die Zukunft? Wird die Marke „Made in Germany“ in dieser Konstellation auch noch in zehn oder zwanzig Jahren über die aktuelle Strahlkraft verfügen?
Um es ganz klar zu sagen: Deutsche Unternehmen produzieren nach wie vor hervorragende Erzeugnisse. Sie sind in vielen Bereichen Qualitäts- oder sogar Weltmarktführer. Eine Tendenz wird aber immer sichtbarer: Das positive Image stützt sich zunehmend auf Leistungen und eine Innovationskraft, die mehr und mehr vergangenen Zeiten angehören. Aktuelle oder sich abzeichnende Entwicklungen zeigen die Notwendigkeit für Veränderungen. Drastisch verkürzte Produktlebenszyk-len und neuartige Produkt-Leistungskombinationen, hoher Effizienz- und Kostendruck, schwindende Kundenloyalität trotz hoher Produktqualität sind nur einige Aspekte eines sich wandelnden Anforderungsprofils.
Made in Silicon Valley
Stellt man Ländervergleiche unter dieser Perspektive an, so steht die deutsche Industrie plötzlich nicht mehr so glänzend da wie beispielsweise die amerikanische. Dabei ist es weniger das klassisches „Made in USA“, das nachdenklich stimmen sollte, sondern die Innovationskraft des „Made in Silicon Valley“. Dort werden die radikalen Produktneuerungen entwickelt, dort werden die neuartigen datenbasierten Geschäftsmodelle der Unicorns erfunden, die die Welt verändern. In den Vereinigten Staaten gibt es so gesehen zwei Formen von Wirtschaft – die klassische Wirtschaft des „rusty belt“ und die neue digitale Wirtschaft des Silicon Valley. Und eines ist in den USA mittlerweile gute Tradition: Die neuere lässt die ältere Wirtschaftsform nach einem Tornado der Disruption unsentimental zurück. Insofern ist die Stahl-und Eisen-Romantik „trumpscher“ Manier nur eine kurze Eskapade, die den Lauf der Dinge nicht aufhalten wird.
Wie sieht es dagegen in Deutschland aus? Hier scheint es, als gäbe es nicht zwei, sondern in erster Linie nur eine Wirtschaftform, und zwar die klassische. „Made in Germany“ – damit assoziiert man schon eher physische Dinge. „Made in Germany“, das steht vor allem für Automobilindustrie, für Maschinenbau, für Anlagen- und Fertigungstechnik. Hinsichtlich Qualität denkt man dabei an Aspekte wie „Zuverlässigkeit“, „Langlebigkeit“ und „Haltbarkeit“. Dies entspricht jedoch nicht mehr den aktuellen Ansprüchen von Verbrauchern, die kaum die neueste Smartphone-Generation erwarten können. Genau genommen stehen große Teile der deutschen Wirtschaft noch bei 3.0.
Dies alleine wäre nicht das Problem. Für manche Leistungsbereiche wird Digitale Transformation noch auf einige Jahre hinaus nur am Rande von Bedeutung sein. Es geht vielmehr um die Frage, welche Innovationskraft Deutschland im Vergleich zu den USA aufweist. Selbst wenn man zugesteht, dass Deutschland in der Fertigungs- und Anlagentechnik in der Lage ist, die Industrie 4.0 abzubilden und der internationalen Kundschaft bereitzustellen – die smarten Fabriken und ihre Technologie werden auch anderen Teilen der Welt zur Verfügung stehen. Die deutsche Wirtschaft sollte sich nicht darauf verlassen, dass andere ihr Niveau nicht erreichen werden. Verschiedene Länder holen schnell auf, der Vorsprung schmilzt. Und noch ein Aspekt ist dabei wichtig: Bereiche wie Anlagen- oder Fertigungstechnik mögen durchaus ertragreich sein. Sie bedienen allerdings keine Massenmärkte – jedenfalls nicht, wenn man sie mit den digitalen Geschäftsmodellen des Silicon Valley vergleicht. Die Zukunft der Märkte prägt nicht die Industrie 4.0, sondern bestimmt die Produkte 4.0.