Was lässt sich konkret tun, um Prävention und Abwehr zu stärken? Große Versicherer haben das Problem schon länger erkannt, weisen jetzt aber auf den verschärften Wettlauf zwischen Software-Anbietern und Kriminellen um die Entdeckung von Schwachstellen und Sicherheitslücken hin. Der bekannteste Fall eines Cyberangriffs auf die Industrie-Infrastruktur ist wohl immer noch das 2010 entdeckte Stuxnet-Virus, das Anlagen zur Uran-Anreicherung im Iran sabotierte.
Die Einschläge kommen wieder näher. „Seit gut eineinhalb Jahren sehen wir eine stetig zunehmende Bedrohungslage, die sich zuletzt noch einmal sehr dynamisch geändert hat“, sagt Johannes Steffl, beim Industrieversicherer HDI Global in Hannover zuständig für die Analyse von Cyberrisiken. „Teilweise mag dies coronabedingt sein, weil im Homeoffice manche IT-Prozesse nicht so gut geschützt sind.“ Doch auch für die „Operational IT“ in der Produktion werde das Thema wichtiger: „Wir sprechen hier von IT, die Anlagen und Maschinen rund um die Uhr steuert. Betriebe arbeiten da teils noch mit alten Systemen.“
In der Ära der „Industrie 4.0“ müssten Maschinenbauer Cybersicherheit schon beim Anlagen-Design mit bedenken. „Das wird ein wesentliches Qualitätsmerkmal“, so Steffl. „Denn wenn eine Cyberattacke einmal wirklich auf die Produktion einer ganzen Branche durchschlägt, können die Schäden aus einer langen Unterbrechung erheblich sein. Oder es können sogar Fehler an den Produkten entstehen, die nach dem Angriff noch gefertigt wurden.“ In Industriekreisen ist mitunter zu hören, manchmal gebe es auch die Versuchung, das Herunterfahren dann etwas hinauszuzögern – nach dem Motto: „Never change a running system.“
Die schädliche Streuwirkung wäre auch in der Energiewirtschaft groß, Stichwort Blackout-Gefahr. Hier seien die Motive aber oft anders gelagert, glaubt Steffl. „Bei Angriffen auf das Stromnetz und ähnlichen vorstellbaren Aktionen muss man sich wohl eher Gedanken in Richtung terroristischer oder politische Ziele machen.“ Klassische Cyberkriminelle hätten eher Vorbehalte, ein ganzes Land lahmzulegen. „Ihnen geht es meist um Disruption, nicht um reine Destruktion.“
So oder so scheint klar: Industrie und Verwaltung müssen das Problem ernster nehmen – und besonders sensible Angelegenheiten jenseits des laufenden Betriebs vielleicht auch mal offline erledigen. „Wir bewegen uns in einer Welt trügerischer Sicherheit“, heißt es beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. „Auf Dauer hilft es uns nur, wenn wir wichtige Dinge in abgeschotteten Systemen bearbeiten.“ Zimmermann, in dessen Verband sich Firmen zu einem Arbeitskreis gegen Netz-Erpressungen zusammengeschlossen haben, sieht das Kernproblem so: „Die Leichtsinnigkeit ist immer noch ein schwieriges Feld.“