Dazu kommen die enormen Chancen, die sich auf Software-Seite ergeben, denn das Aufzeichnen und Abspeichern der Videos ist nur der erste Schritt in einer modernen Videoüberwachung. Viel wichtiger ist, was mit dem Material passiert. Wo die Systeme früher allenfalls erkannten, ob ein Koffer herrenlos herumsteht, gibt es heutzutage sehr umfangreiche Analysemöglichkeiten, etwa eine Gesichtserkennung oder die Erkennung von Autokennzeichen. Wie weit die Technik auch dank KI ist, demonstrierte Microsoft bereits vor über einem Jahr auf seiner Entwicklerkonferenz »Build«. Dort zeigte der Hersteller mit »Video Indexer« einen Online-Dienst, der erkennt, was in Videos geschieht, und entsprechende Schlagworte vergibt. Und der Gesichter und Emotionen identifiziert sowie alles, was gesprochen wird, direkt transkribiert.
Einer der Hersteller, die Videostreams aus unterschiedlichsten Quellen mit unzähligen Analytics-Anwendungen zusammenbringen wollen, ist die dänische Milestone Systems. Sie bietet eine offene Videomanagementplattform an, mit der sich Videos von mehr als 7.000 Kameramodellen verwalten und anderen Applikationen zur Auswertung bereitstellen lassen. Zu den Lösungen, die eingebunden werden können, zählt etwa der »SmokeCatcher« von Araani, der als Ergänzung – oder in bestimmten Umgebungen als Ersatz – zu Brandmeldern dient, indem er mithilfe von Algorithmen Rauch im Videomaterial aufspürt. Oder der »Parking Spotter« des gleichnamigen Herstellers, der bei der Suche nach freien Parkplätzen hilft. Aber auch die Tools von BriefCam, die unter anderem die Analyse von Besuchern und Besucherströmen auf Veranstaltungen oder in Shops übernehmen, können integriert werden.
Insgesamt arbeitet Milestone nach eigenen Angaben mit mehr als 1.800 Solution Partnern zusammen. Dadurch sei ein »Monitoring über traditionelle Überwachungs-Use-Cases hinaus« möglich, sagt Malou Toft, Vice President EMEA beim Hersteller. Auch dort, wo bereits Kameras vorhanden seien, würden sich so neue Anwendungsbereiche ergeben – und für IT-Spezialisten die Gelegenheit, neue Kundengruppen zu erschließen und sich von der Errichterbranche abzuheben. Denn die Integration der verschiedenen Systeme und Anwendungen macht IT- und Software-Kenntnisse notwendig. »Den Kunden interessiert es nicht, wie die einzelnen Systeme zusammenarbeiten – das ist unsere Aufgabe und die unserer Partner«, stellt Toft klar.
Ein komplett neuer Markt tut sich auch in der Industrie auf, wo die Überwachungstechnik genutzt werden kann, um Fertigungsprozesse zu überwachen und automatisiert Notfallmaßnahmen einzuleiten. Ein Mensch müsse schon Glück haben, um einen Störfall am Band auch tatsächlich zu entdecken, sagt Fieberg von Moog Pieper, doch der Technik entgehe nichts. Bei einem Problem könne automatisch das Band angehalten, Alarm ausgelöst und ein Techniker informiert werden. Allerdings gebe es in dem Bereich »nichts aus der Schublade«, weil die Fertigungsprozesse von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich seien, weshalb man die Lösungen in der Regel selbst entwickeln muss.