Mit einem Schreiben an hiesige Händler hat Amazon möglicherweise indirekt und ungewollt preisgegeben, wie groß der Umsatz des deutschen Marktplatzes ist. Das offizielle Dementi des Konzerns dazu wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet.
Lange Jahre waren die Umsatzzahlen von Amazons Marketplace in Deutschland ein ähnlich gut gehütetes Geheimnis wie die Rezeptur von Coca Cola. Eigentlich sollte das wohl auch so bleiben, um weder der Konkurrenz noch den auf dem Marketplace aktiven Händlern allzu tiefen Einblick in den schnell wachsenden Umschlagplatz zu gewähren, der inzwischen deutlich schneller wächst und mehr Umsatz generiert, als das eigene Onlinegeschäft des Konzerns. Doch dem hat die Marketing-Abteilung jetzt – offenbar aus Versehen – einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. In einer vom E-Commerce-Blog Wortfilter.de publizierten E-Mail an deutsche Handelspartner, die mit ihrer Anmeldung zum Early-Reviewer-Programm Interesse an Verkäufen in den USA signalisiert haben, versucht die Amazon-Abteilung ihnen diesen neuen Vertriebsweg nun schmackhaft zu machen.
Als Lockmittel wird dabei unter anderem erwähnt, dass in den USA etwa die Hälfte des weltweiten Marketplace-Umsatzes generiert wird. Im direkten Vergleich zu Deutschland sei der Umsatz etwa sieben Mal so hoch, obwohl auf dem Heimatmarkt nur etwa halb so viele Händler aktiv seien. Auch wenn damit versucht wurde, möglichst wenig konkret zu bleiben, verrät diese Information auf den zweiten Blick und mit ein paar einfachen Rechenschritten jedoch deutlich mehr als dem Unternehmen lieb sein dürfte. Denn aus den Erklärungen von Amazon-Chef Jeff Bezos an die Aktionäre war bereits bekannt, dass der gesamte E-Commerce-Umsatz des Unternehmens im vergangenen Jahr gut 277 Milliarden US-Dollar betrug und dass etwa 160 Milliarden davon durch Dritthändler generiert wurde.
In Kombination mit den Verhältnisse aus dem Marketing-Schreiben ließe sich also folgern, dass jeweils rund 80 Milliarden Dollar innerhalb der USA sowie im Rest der Welt umgesetzt werden. Teilt man diesen Wert nun noch durch den genannten Faktor Sieben, so dürfte der Umsatz auf dem deutschen Marketplace bei fast 11,5 Milliarden Dollar, umgerechnet also etwas über zehn Milliarden Euro, liegen. Den entsprechenden Nettoumsatz vor Retouren und Storno berechnet Wortfilter-Autor Mark Steier auf 8,57 Milliarden Euro.