Beispiele wie der einzigartige Softwarelizenz-Zweitmarkt in Europa zeigen, dass Grenzziehungen und Interessenausgleich praktisch sehr wohl möglich sind. Hier wurden die Rechte der Erwerber gegenüber der hohen Abhängigkeit von den Softwaregiganten durch den EuGH in 2012 schließlich verteidigt bzw. angeglichen, um Nachhaltigkeit, Wettbewerb und Investitionen zu stärken sowie den freien Markt zu fördern. Mit einem einmaligen Rechtssetzungsakt ist es aber auch hier nicht getan. Denn allzu schnell erfolgen Änderungen der Lizenzbestimmungen, wie im Fall von Microsofts Produktbestimmungen im vergangenen Jahr, wonach plötzlich Kunden, die auf ein Abo-Modell »von SA« umsteigen, ihre nicht mehr benötigten entsprechenden Kauf-Softwarelizenzen entgegen der EuGH Rechtsprechung während des Abo nicht mehr verkaufen dürfen.
Selbstverständlich gibt es auch im Zweitmarkt - wie überall - schwarze Schafe. Abgesehen von unrechtmäßigen Key-Resellern hält sich deren Anzahl in den vielen Jahren seit der EuGH-Entscheidung aber in Grenzen. Im Einzelfall zeigt sich, dass sich früher oder später das Recht durchsetzt und der Missbrauch abgestellt wird. Wichtig ist aber, nicht aufgrund von Einzelfällen in alte Muster zu verfallen und die Früchte der Rechtsprechung zugunsten der Softwareanbieter zu diskreditieren. Vielmehr erscheint es geboten, gerade im freiheitlichen Zweitmarkt den großen Einfluss der Hersteller auch in der praktischen Umsetzung zu schützen und etwa Erwerbsquellen vertraulich zu behandeln.
Entscheidend ist, dass die richtigen Lehren für ein digitalisiertes Europa aus den aktuellen Geschehnissen in allen Bereichen gezogen werden. Es geht nicht um die Dämonisierung von kommerzieller Standardsoftware oder erfolgreichen US-Cloud-Services. Es erfordert aber eine dezidierte Strategie, wie Europa mehr digitale Souveränität erlangen und ein Ökosystem schaffen will, das für innovative, freiheitsfreundliche Lösungen - wie OpenSource-Software - steht und hierfür Anreize schafft. Und es geht um den Schutz von Kunden, die sich oftmals mit rechtlichen Mitteln praktisch kaum gegen die Softwarehersteller wehren können und von Bürgern, die die komplexen digitalen Zusammenhänge kaum selbst beherrschen können.
Zum Autor: Dr. Daniel Taraz LL.M. ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Jentzsch IT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH