Gerhard Schlabschi. Director Systems, Technology & Cloud Computing bei Oracle, beschreibt im Interview, warum Unternehmen nur noch einen Teil ihrer Software selbst herstellen.
CRN: Wie wichtig ist Collaboration bei der Software-Entwicklung?
Gerhard Schlabschi: Die Durchgängigkeit von Prozessen, beispielsweise über eine horizontale Integration über Anwendungen hinweg, ist leider nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Wenn Unternehmen kundenzentrierte Geschäftsmodelle umsetzen und dafür Daten und Wissen abteilungsübergreifend zur Verfügung stellen wollen, wäre aber genau das eine Grundvoraussetzung. Deshalb haben Anbieter, die stark auf Collaboration bei der Software-Entwicklung setzen, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
In der Praxis gehört dazu unter anderem eine kontrollierte Offenlegung von APIs auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Wegweisend sind hier Cloud-Technologien, die einen einheitlichen und gesicherten Zugang zu Firmen-APIs ermöglichen, wie beispielsweise beim Oracle API Cloud Service. Ein anderes Beispiel ist die Nutzung flexibler API-Technologien (Stichwort REST), die die Zusammenarbeit von Anwendungen verschiedenster Herkunft flexibilisiert und vereinfacht.
CRN: Welche Rolle spielt die Cloud?
Schlabschi: Eine Software-Entwicklungsumgebung hat nur mit Cloud-Support langfristig Überlebenschancen. Die großen Cloud Anbieter stehen daher im Wettbewerb um die produktivsten Software-Entwicklungsumgebungen. Durchsetzen werden sich die Entwicklungsumgebungen, die die schnellste Umsetzung von Business-Anforderungen ermöglichen, beziehungsweise mit denen Firmen am effizientesten die Anwendungen entwickeln können, die ihnen den größten Wettbewerbsvorteil bieten.
CRN: Wird das klassische Wasserfallmodell dem Tempo der Digitalisierung noch gerecht?
Schlabschi: In der Software-Entwicklung gibt es zwei Anwendungsbereiche mit unterschiedlichen Bedingungen und damit auch Anforderungen: Hochdynamische Webservices und Dev/Ops-Betriebsmodelle erfordern eine sehr hohe Flexibilität; hier sind Softwareentwicklungsmethoden erforderlich, die den Entwicklungsprozess durch Parallelisierung und Entkopplung beschleunigen. Der Preis dafür ist häufig eine hohe Komplexität im Software-Design des Gesamtsystems, beispielsweise durch parallele Haltung korrelierter Daten in verschiedenen Subsystemen.
Bei weitem nicht alle Anwendungen brauchen jedoch eine derartig hohe Flexibilität. Vor allem im BackOffice, also im Bereich der Transaktionsverarbeitung und der Datenhaltung, steht die Sicherheit von Transaktionen und Daten-Konsistenz an erster Stelle. Hier ist das Wasserfallmodell meist die bei weitem einfachere, zuverlässigere und vor allem sicherere Entwicklungsmethode.
CRN: Entwickeln Unternehmen nur noch die Lösungen selbst, die für eine Abgrenzung vom Wettbewerb sorgen?
Schlabschi: Das ist in der Tat ein Trend, den wir zunehmend beobachten. Der Grund dafür ist einfach zu verstehen: eine klare Differenzierung vom Wettbewerb bietet den höchsten ROI.
Klassische Unternehmensanwendungen wurden früher mit hohem Aufwand auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst. Heutzutage nutzt jedes Unternehmen derartige Anwendungen; der Wettbewerbsvorteil, der sich damit erzielen lässt, ist deshalb gering – selbst bei massiven Anpassungen. Demgegenüber bieten moderne Unternehmensanwendungen aus der Cloud heute weitreichende Möglichkeiten zur individuellen Adaption mit minimalem Aufwand, die für die meisten Kunden vollkommen ausreichen. Das gilt vor allem für die Bereiche Prozessdesign und Branding.
Die nachhaltigste Differenzierung im Wettbewerb bieten heute optimaler Kundenservice, nahtlose Integration mit Geschäftspartnern und vollständige Geschäftstransparenz – und zwar jederzeit, nicht nur beim Jahresabschluss. Der Trend für Software-Anbieter geht eindeutig zum Realtime-Unternehmen mit maximaler Service-Orientierung. Die dazu erforderlichen durchgängigen Prozesse, intelligenten Produkte und zusätzlichen Services auf Basis von Businessinformationen erfordern Software-Lösungen, die absolut kundenspezifisch sind und perfekt mit den klassischen Unternehmensanwendungen zusammenarbeiten können.
Kunden migrieren ihre klassischen Unternehmensapplikationen daher mehr und mehr in die Cloud und nutzen die Cloud-Entwicklungsplattform zur Erweiterung ihres Anwendungsportfolios um hochdifferenzierte Services.'
CRN: Werden APIs in der Software-Entwicklung immer wichtiger?
Schlabschi: APIs werden in der Software-Entwicklung definitiv immer wichtiger, denn die Nutzung flexibler API-Technologien entkoppelt und vereinfacht die Zusammenarbeit von Anwendungen verschiedenster Herkunft.
CRN: Sind Open Source-Komponenten relevant für die Entwicklung neuer Software?
Schlabschi: Im Open Source-Umfeld entstehen einfach viele wichtige neue Trends, die später zum Mainstream werden und dann nach und nach auch von allen Anbietern übernommen werden. Deshalb verfolgen wir bei Oracle die Entwicklungen in diesem Bereich sehr genau und integrieren wichtige neue Technologien möglichst frühzeitig in unsere Entwicklungsplattform und unser Anwendungsportfolio.
CRN: Muss ein Software-Entwickler heutzutage auf jeden Fall Javascript beherrschen?
Schlabschi: Java ist heute die Lingua Franca der Software-Entwicklung und die Zielsprache der meisten SW-Entwicklungstools; Javascript spielt aber weiterhin eine sehr wichtige Rolle, wenn es um schnelle Implementierung weniger kritischer Funktionalitäten geht.